Vortragssitzung

Poster 2: Ökonomische Evaluation

Talks

Krankenkassenechtdaten: Verlängerte Lebensdauer durch implantierbare Herzmonitore
Isabell Schliebener, Medtronic GmbH
Rainer Voss, Medtronic GmbH
Andreas Witthohn, Medtronic GmbH

Einleitung / Introduction

Bei 30 % der Patienten mit plötzlicher Bewusstlosigkeit (Synkope) bleibt die zugrunde liegende Ursache auch nach umfangreichen klinischen Untersuchungen ungeklärt. Ungeklärte Synkopen treten i.d.R. wiederkehrend auf und beeinträchtigen die Lebensqualität und die Sterblichkeit erheblich. Für eine adäquate Behandlungseinleitung ist eine zeitnahe und präzise Diagnose notwendig.

Methode / Method

Repräsentative Daten von 4,9 Millionen deutscher krankenversicherter Patienten wurden über einen Zeitraum von 10 Jahren (2007-17) ausgewertet. Patienten mit rezidivierenden Synkopen (zweimal ICD-10 GM-Diagnoseschlüssel R55), Alter zwischen 45 und 84 Jahren und ohne Diagnoseschlüssel für die Synkope wurden in die Analyse einbezogen und mindestens 2 Jahre lang beobachtet. Patienten mit ILR wurden anhand von Alter, Geschlecht und Charlson-Komorbiditätsindex (CCI) anhand von Mahalanobis-Distanzen mit Patienten ohne ILR abgeglichen. Das Indexereignis war die Implantation des Geräts in der ILR-Gruppe und das zweite Synkopenereignis in der Kontrollgruppe. Lebenserwartung, Krankenhausaufenthalte wegen Synkopen, sturzbedingte Verletzungen, Gesundheitskosten, Diagnosen und Behandlungsraten wurden zwischen den Gruppen verglichen.

Ergebnisse / Results

Es wurden 412 Patienten mit ILR bei rezidivierenden ungeklärten Synkopen mit der Kontrollgruppe verglichen. Das Durchschnittsalter lag bei 68 Jahren, der mittlere CCI bei 2,7 und 42 % der Patienten waren weiblich. Das Sterberisiko war in der Kontrollgruppe 2,35-mal höher als in der Vergleichsgruppe (p-Wert Logrank-Test <0,0001). In der ILR-Gruppe waren die Raten für kardiovaskulär bedingte Diagnosen und Behandlungen höher: 69 % der Patienten hatten eine kardiologische Diagnose im Vergleich zu 41 % in der Kontrollgruppe. Mehr als ein Viertel (27 %) der ILR-Patienten erhielt ein implantierbares Herzgerät im Vergleich zu 5 % in der Kontrollgruppe. Die Ablationsrate betrug 7% in der ILR-Gruppe gegenüber 0% in der Kontrollgruppe. Die durchschnittlichen Gesundheitskosten waren in der ILR-Gruppe um 3.847 € höher, einschließlich der Kosten für das ILR-Implantat, die Nachsorge und die höheren Raten der Herzbehandlungen. Angesichts des wesentlich höheren Mortalitätsrisikos in der Kontrollgruppe erscheinen diese zusätzlichen Kosten moderat.

Zusammenfassung / Conclusion

Patienten mit ILR haben eine um 1,2 Jahre signifikant verlängerte Lebenserwartung. Deutlich mehr Patienten profitieren von einer diagnosebasierten Behandlung. In der ILR-Gruppe wurde bei 32% der Patienten eine spezifische kardiologische Therapie eingeleitet; in der Vergleichsgruppe waren es nur 6%. Die Gesundheitskosten waren in beiden Gruppen statistisch gleich. Trotz der Kostenaufwendungen für die Herzmonitore und die anschließende kardiologische Therapie entstanden keinerlei Mehrkosten für die Krankenkassen.


Authors
Karin Rybak, Mediclin MVZ Dessau
Christian Perings, Klinikum Lünen
Logic Model und Impact Map für die Primäre Gesundheitsversorgung am Beispiel Primärversorgungseinheiten (PVE)
Johannes Kriegel, University of Applied Sciences Upper Austria

Einleitung / Introduction

Die Primäre Gesundheitsversorgung ist nach WHO Einschätzung eine niederschwellige und wohnortnahe Gesundheitsversorgung, die i.d.R. durch Hausärztinnen und -ärzte, Gemeindeschwestern und -pfleger sowie weitere Gesundheitsfachkräfte getragen und unterstützt wird. Aufgrund zunehmender Lücken, insbesondere in der hausärztlichen Versorgung im ländlichen Raum, werden in Österreich zunehmend PVE zur Sicherstellung der Primären Gesundheitsversorgung etabliert. Es stellt sich die Frage: Wie lässt sich, durch ein Logic Model sowie Impact Map basierte Wirkungsmessung und -analyse, der Einfluss der neuen Versorgungsform PVE auf die Primäre Gesundheitsversorgung identifizieren und bewerten?

Methode / Method

Neben einer semi-strukturierten Literaturrecherche in populäre- und wissenschaftlichen Datenbanken (z.B. SpringerLink, Pubmed, Thieme Connect, WISO Net) wurden 2020 17 leitfadengestützte Experteninterview sowie 3 Expertenworkshops mit Health Professionals aus österreichischen PVE (vertretene Professionen: MedizinerInnen, Diplomierte Pflegekräfte, PVE Managerin, Sozialarbeiterin, Physiotherapeutin, Ordinationsassistentin, Medizinstudentin, Gesundheitsökonom und -wissenschaftlerin) durchgeführt und mittels Qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet.

Ergebnisse / Results

Eine PVE ist eine Organisationsform, in der verschiedene Professionsgruppen (z.B. ÄrztInnen, Pflegekräfte, Therapeuten, Gesundheits- und Sozialberufe) patientenzentriert, ambulant und wohnortnah zusammenarbeiten. Der Einfluss dieser neuen Versorgungsform auf das bestehende System der Primären Gesundheitsversorgung kann über eine Wirkungslogik (Logic Model) dargestellt und interpretiert werden. Ein Logic Model umfasst die Stufen: Input (z.B. eingebrachte Ressourcen/Health Professionals), Throughput (z.B. Wertschöpfungsprozess/Patientenversorgung), Output (z.B. quantitatives Ergebnis/Anzahl versorgter Patienten), Outcome (z.B. qualitatives Ergebnis/Patientenzufriedenheit) und Impact (z.B. langfristig erzielte Wirkung/Lebensqualität). Über das Impact Mapping erfolgt aufbauend eine grafisch unterstützte Merkmalsidentifikation und Priorisierung sowie Strategieplanung und Systemsteuerung.

Zusammenfassung / Conclusion

Eine wesentliche Zielsetzung von Strategien und Projekten ist die Realisierung zielgerichteter und kausaler Wirkungen. Wirkungen sind Veränderungen eines Systems bzw. in einem System. Im Kontext eine entwickelten Wirkungslogik lassen sich im Weiteren identifizierte wirkungsbasierte Kausalketten über eine Impact Map darstellen und analysieren. Über die Weiterentwicklung der Primären Gesundheitsversorgung als soziales System und gesellschaftlicher Bereich wird ein langfristiger Impact (z.B. Lebensqualität, Gemeinwohl, Nachhaltigkeit, Chancengleichheit) verfolgt. Es gilt daher, die entsprechenden Wirkungskette bzw. Wirkungslogik, gezielt, konzeptionell und wirkungsbasiert auszugestalten und zu steuern.


Authors
Johannes Kriegel, University of Applied Sciences Upper Austria / UMIT Tirol
Führt die topische Therapie mit dem Capsaicin-Pflaster 179 mg (8%) zu einer Verbesserung der Alltagsbelastungen bei Patienten mit neuropathischem Schmerz? Eine Routinedatenanalyse auf Basis von GKV Abrechnungsdaten
Matthias Arnold, inav – privates Institut für angewandte Versorgungsforschung GmbH

Einleitung / Introduction

Über sechs Prozent der Deutschen leiden unter neuropathischem Schmerz (NS). Die Wahl geeigneter Therapien gestaltet sich häufig schwierig, da ein direktes Ansprechen auf einzelne Substanzen oft nicht auftritt. Das 8%ige Capsaicin-Pflaster stellt eine topische Therapiealternative zu den häufig verschriebenen Antidepressiva oder Antikonvulsiva dar. Da die Anwendung des 179mg Capsaicin-Pflasters in Deutschland noch nicht sehr verbreitet ist und unklar ist, ob die Vorteile dieser topischen Therapie in der Reduktion der Alltagsbelastung bereits realisiert werden, stellt sich die Frage, ob das 8%ige Capsaicin Pflaster in Deutschland als Alternative zu Antidepressiva oder Antikonvulsiva bereits genutzt wird und ob eine Reduktion der Alltagsbelastung messbar ist.

Methode / Method

Aus Daten der InGef Forschungsdatenbank wurde ein Profil der Nutzer des 8%igen Capsaicin-Pflasters erstellt und analysiert. Eine Kontrollgruppe wurde über Propensity-Score-Matching (PSM) zugeordnet. Per Regressionsschätzung (Differenzen-in-Differenzen Ansatz) wurde der Zusammenhang zwischen der Verschreibung des 8%igen Capsaicin-Pflasters und der Entwicklung der Arbeitsunfähigkeitstage als Indikator geringerer Alltagsbelastungen analysiert.

Ergebnisse / Results

816 Nutzer des Capsaicin-Pflasters 179 mg (8%) wurden insgesamt zwischen 2015 und 2018 identifiziert. 58% der Nutzer sind weiblich, 42% männlich. 46% der Patienten waren unter 60 Jahre alt. Die Verschreibung des 8%igen Capsaicin-Pflaster erfolgt sehr häufig in Kombination mit anderen Medikamenten (z.B. Duloxetin, Pregabalin, Amitriptylin, Gabapentin, Metamizol-Natrium). Nach PSM konnten 84 Nutzern des 8%igen Capsaicin-Pflasters 384 merkmalsähnliche Patienten in der Kontrollgruppe zugeordnet werden, hiervon 48 bzw. 184 Patienten unter 60 Jahren. Die Anwendung des 8%igen Capsaicin Pflasters geht mit einer Reduktion der Arbeitsunfähigkeitstage im Vergleich zur Kontrollgruppe in Höhe von 4,2 Arbeitsunfähigkeitstagen pro Quartal (p=0,008) in der kompletten Altersgruppe bzw. 6,3 Arbeitsunfähigkeitstage pro Quartal (p=0,031) in der Bevölkerung unter 60 Jahren einher.

Zusammenfassung / Conclusion

Die untersuchten Daten deuten darauf hin, dass die topische Therapie mit dem Capsaicin-Pflaster 179 mg (8%) überwiegend mit anderen systemischen Medikamenten kombiniert wird. Nach Verschreibung des 8%igen Capsaicin Pflasters ist eine Reduktion der Alltagsbelastung am Merkmal geringerer Arbeitsunfähigkeitstage zu sehen. Der Unterschied in den Arbeitsunfähigkeitstagen im Vorbeobachtungszeitraum deutet darauf hin, dass das Pflaster häufiger bei Patienten eingesetzt wird, welche bereits besonders von hoher Arbeitsunfähigkeit betroffen sind.


Authors
Matthias Arnold, inav – privates Institut für angewandte Versorgungsforschung GmbH
Volker Amelung, inav – privates Institut für angewandte Versorgungsforschung GmbH
Mixed-Methods-Ansatz zur Evaluation der Reform der Psychotherapie-Richtlinie: Studienprotokoll
Sarah Schlierenkamp, Essener Forschungsinstitut für Medizinmanagement GmbH (EsFoMed)

Einleitung / Introduction

Die Psychotherapie-Richtlinie (PT-RL) gestaltet die Rahmenbedingungen der Psychotherapie in der ver-tragsärztlichen Versorgung in Deutschland. Aufgrund der Diskussion um Wartezeiten und inadäquate Versorgung von Betroffenen ist 2017 eine Strukturreform der PT-RL in Kraft getreten. Zentrales Ziel der Reform war, durch neue Elemente, wie die psychotherapeutische Sprechstunde, die psychotherapeuti-sche Akutbehandlung, die Rezidivprophylaxe und Förderung der Gruppentherapie, den Zugang zur Psy-chotherapie sowie den gesamten Versorgungs- und Behandlungsverlauf zu verbessern. Das Projekt „Evaluation der Psychotherapie-Richtlinie (Eva PT-RL)“ evaluiert die neu eingeführten Versorgungsele-mente und soll mögliche Implementierungsschwierigkeiten identifizieren. Darauf aufbauend werden Reformvorschläge zur Weiterentwicklung der Richtlinie entwickelt.

Methode / Method

Zur Evaluation der Reform der PT-RL finden quantitative sowie qualitative Methoden Anwendung. Um einen Vergleich der Versorgungssituation vor und nach der Reform durchzuführen, wird eine verglei-chende retrospektive kohortenbasierte Analyse auf Basis anonymisierter Routinedaten durchgeführt. Zusätzlich wird in einer Querschnittsanalyse erfasst, wie die neuen Versorgungselemente in der Praxis umgesetzt werden konnten. Dazu erfolgt eine Befragung von Psychotherapeut*innen, Hausärzt*innen und Patient*innen. Fokusgruppen mit relevanten Interessensgruppen stellen zusammen mit einer Litera-turrecherche die Basis für diese Befragung dar. Zusammen mit den Routinedaten zur Versorgungssitua-tion nach Reform der PT-RL sowie aggregierten, anonymisierten Daten der KBV zur vertragsärztlichen Versorgung und zur Inanspruchnahme der Terminservicestellen ergeben die Befragungsergebnisse die Datenbasis für die Querschnittsanalyse.

Ergebnisse / Results

Im Ergebnis wird festgestellt, ob durch die neuen Versorgungselemente die mit der Reform verbunde-nen Ziele in Bezug auf Patientenzugang, Prozessqualität bzgl. Behandlungs- und Versorgungsablauf und Verbesserung des patientenbezogenen Outcomes erfüllt wurden. Aufbauend auf diese Ergebnisse wer-den in einem Workshop mit relevanten Steakholdern aus Leistungserbringer-, Kostenträger- und Patien-tenperspektive Vorschläge für die Weiterentwicklung der PT-RL entwickelt.

Zusammenfassung / Conclusion

Durch die Verbindung von quantitativen und qualitativen Daten können die Auswirkungen der Struktur-reform der PT-RL auf individueller und struktureller Ebene sowie in Bezug auf den gesamten Versor-gungs- und Behandlungsprozess beschrieben werden. Darauf aufbauend werden Vorschläge für eine bedarfsgerechte Weiterentwicklung der PT-RL unter Berücksichtigung der Perspektiven verschiedener Interessensgruppen entwickelt.


Authors
Sarah Schlierenkamp, Essener Forschungsinstitut für Medizinmanagement GmbH (EsFoMed)
Sandra Diekmann, Essener Forschungsinstitut für Medizinmanagement GmbH (EsFoMed)
Pauline zur Nieden, Essener Forschungsinstitut für Medizinmanagement GmbH (EsFoMed)
Carina Abels, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen
Anke Walendzik, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen
Jürgen Wasem, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen
Silke Neusser, Essener Forschungsinstitut für Medizinmanagement GmbH (EsFoMed)