Vortragssitzung

Poster 3: Versorgungsforschung

Talks

Pragmatische Algorithmen zur Teledermatologischen Versorgung von Justizvollzugsanstalten
Brigitte Stephan, UKE

Einleitung / Introduction

Telemedizinische Versorgung ermöglicht räumlich unabhängige fachärztliche Beratung und kann so fachmedizinische Fragestellungen klären. Im Justizvollzug mit besonderen organisatorischen Bedingungen in der medizinischen Versorgung Gefangener ist diese Form der Unterstützung des Personals vor Ort sehr hilfreich. Unser Institut beteiligt sich seit 2019 an der dermatologischen Versorgung Gefangener im deutschen Justizvollzug und bietet regelmäßig wöchentliche virtuelle Sprechstunden für dermatologische Fragestellungen an.

Methode / Method

Wir analysierten unsere ersten 300 Fälle zur dermatologischen Versorgung via Videosprechstunden und erarbeiteten Algorithmen zur Abarbeitung dieser Anfragen.

Ergebnisse / Results

Die Justizvollzugsanstalten konnten dermatologische Beratung für einen Gefangenen für die wöchentliche reguläre Sprechstunde oder auch in Akutfällen für kurzfristige Bearbeitung anfordern. Die Anfrage wurde mit einem Konsilformular gestellt, das anamnestische Angaben und klinisches Bild des Hautproblems vorsieht. Den Justizvollzugsanstalten war freigestellt, ob und wieviele Fotos zu dem Fall begleitend hochgeladen wurden, und sie nutzten in 88 % der Fälle dieses store-and-forward Angebot mit bis zu 21 Fotos pro Fall. Schein und Fotos wurden über eine gesicherte Cloud dem bearbeitenden Dermatologen unseres Instituts einmal wöchentlich am Vortag vor der Sprechstunde zur Verfügung gestellt. In der virtuellen Livesprechstunde bestand für den Gefangenen und die Anstalt die Option, den Fall ohne Präsentation des Patienten vor der Kamera zu besprechen oder den Patienten selbst vorzustellen und ggf. weitere dermatoskopische Darstellungen der Hautveränderungen live vor der Kamera zu zeigen. Die dermatologische Beratung konnte wahlweise mit dem Anstaltsarzt, dem medizinischen Personal oder dem weiteren betreuenden Personal der Justizvollzugsanstalt erfolgen. Dieser pragmatische Algorithmus zur Abarbeitung dermatologischer Fälle via Videosprechstunde ermöglichte in 80% der Fälle eine einmalige Videoberatung, 30 Fälle erforderten eine erneute Beratung im Verlauf.

Zusammenfassung / Conclusion

Die Fragestellungen dermatologischer Krankheitsbilder im organisatorischen Setting einer Justizvollzugsanstalt erfordern angepasste Algorithmen in der Abarbeitung via Videosprechstunde. Eine Analyse gehäufter Diagnosen in Fällen mit erneutem Vorstellungsbedarf ermöglicht eine Prozessoptimierung.


Authors
Brigitte Stephan, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Matthias Augustin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Martin Scherer, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Elisabeth Blozik, Videoclinic A+ Hamburg
Marina Otten, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Natalia Kirsten, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Gefion Girbig, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Nutzung von Routinedaten verschiedener gesetzlicher Krankenkassen in gesundheitsökonomischen Analysen: Ein praktischer Erfahrungsbericht aus der TIM-HF2-Studie mit 48 Krankenkassen
Hanna Sydow, Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie, Charité-Universitätsmedizin Berlin

Einleitung / Introduction

Im Forschungsprojekt "Gesundheitsregion der Zukunft Nordbrandenburg – Fontane" wurden vom Zentrum für kardiovaskuläre Telemedizin der Charité 1.538 Patienten mit Herzinsuffizienz in einer randomisierten, kontrollierten und multizentrischen Versorgungsforschungsstudie (TIM-HF2) betreut und nachverfolgt. Ziel der Studie war es, zu untersuchen, ob durch den Einsatz telemedizinischer Verfahren eine Verbesserung der ambulanten kardiologischen Betreuung bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz erreicht werden kann. Im Zuge einer gesundheitsökonomischen Analyse wurde auf Basis von Routinedaten Kosteneffektivität der Intervention untersucht. Dazu stellten 48 gesetzliche Krankenkassen die Routinedaten der teilnehmenden Patienten zur Verfügung. Der vorliegende Beitrag soll Erfahrungen und Probleme bei der Datenaufbereitung und -verknüpfung der eingegangenen Routinedaten berichten.

Methode / Method

Anhand der bei Studienplanung definierten Datensatzbeschreibung wurden alle Datenlieferungen hinsichtlich Vollständigkeit, Konsistenz bzw. Plausibilität der Daten, maschineller Lesbarkeit, Einhaltung vorgegebener Formate, allgemeiner datenschutzrechtlicher Vorgaben und der Verknüpfbarkeit der einzelnen Datentabellen einer Krankenkasse bewertet. Die häufigsten Probleme für die spätere Verknüpfung und Auswertung der Daten wurden identifiziert und mögliche Lösungsansätze zur Vermeidung in zukünftigen Studien abgeleitet.

Ergebnisse / Results

Etwa die Hälfte aller Datenlieferungen wurden korrekt und entsprechend der Datensatzbeschreibung geliefert. Eines der häufigsten Probleme war die Lieferung der Daten in einem nicht-maschinenlesbarem Datenformat oder ohne vorhandene Datenbankstruktur. Dieses Problem lag bei einem Drittel aller Datenlieferungen vor. Auch fehlende Datentabellen für einzelne Leistungsbereiche waren ein weiteres häufiges Problem, das etwa ein Drittel aller Datenlieferungen betraf.

Zusammenfassung / Conclusion

Ausgehend von den Erfahrungen der TIM-HF2-Studie ist derzeit eine große Heterogenität in der Datenhaltung und Übermittlung von Routinedaten erkennbar. Diese Uneinheitlichkeit erhöht den zeitlichen und personellen Aufwand in der Datenaufbereitung. Die Berücksichtigung adäquater zeitlicher und personeller Reserven für die Aufbereitung und Nachforderung fehlender und inkorrekter Daten ist daher unabdingbar. Für die Erhöhung der Effizienz im Prozess der Datenaufbereitung und insbesondere zur Verbesserung der Datenqualität wären einheitliche Standards zur Datenhaltung und Datenübermittlung von Routinedaten wünschenswert.


Authors
Hanna Sydow, Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie, Charité-Universitätsmedizin Berlin
Opioidhaltige Analgetika - Untersuchung zu Entwicklungstrends in der Versorgung bei nicht-tumorbedingten Schmerzen (Op-US) - Studienprotokoll
Nils Schrader, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen
Anja Niemann, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen

Einleitung / Introduction

Langzeittherapie mit opioidhaltigen Analgetika (OA) birgt das Risiko von Komplikationen wie Missbrauch oder Abhängigkeit. Empfehlungen für die Langzeitanwendung von OA bei nicht-tumorbedingten Schmerzen (NTS) wurden in einer deutschen S3-Leitlinie festgehalten. Gleichzeitig zeigen mehrere Studien einen Anstieg der Opioid-Verschreibungen über die letzten 20 Jahre in Deutschland. Allerdings bleibt unklar, ob es sich dabei um eine Über- oder Fehlversorgung handelt und inwieweit die Versorgung leitliniengerecht stattfindet. Die vom Innovationsfonds (Förderkennzeichen 01VSF19059) geförderte Studie Op-US analysiert daher Verordnungsgeschehen und Versorgungssituation in der Langzeitanwendung von OA bei NTS unter Berücksichtigung der Sicht von Patienten und Ärzten.

Methode / Method

Die Untersuchung folgt einem Mixed-Methods-Ansatz, bestehend aus einer Befragung von Versicherten der DAK-Gesundheit mit Rücken- und/oder Arthroseschmerzen und Langzeit-OA-Verordnungen im Jahr 2020 für die zudem Abrechnungsdaten in die Auswertung einbezogen werden (i); Leitfadeninterviews mit (Fach-)Ärzten sowie einer Befragung von (Fach-)Ärzten mittels standardisiertem Erhebungsbogen (ii) sowie der Analyse von Routinedaten der DAK von Versicherten mit NTS und OA-Verordnungen (iii). Die standardisierten Bögen enthalten Instrumente zur Erfassung von Schmerzbelastung, Versorgungsqualität, Abhängigkeitserkrankungen (i) sowie Fragen mit Bezug zu Ergebnissen der Interviews, etwa zu Hemmnissen und Hürden einer leitfadengerechten Versorgung (ii). Insgesamt wurden 2.268 DAK-Versicherte (i) und eine Stichprobe von 1.850 Ärzten aus Fachgruppen mit Relevanz in der Schmerzversorgung befragt (ii). Für die Routinedatenauswertung zu Langzeitverordnungen bei NTS werden neben Patientenstammdaten, Arznei- und Heilmittelverordnungen unter anderem auch Daten zur ambulanten und stationären Versorgung der Datenjahre 2018 bis 2021 einbezogen (iii).

Ergebnisse / Results

Die Ergebnisse sollen Hinweise darauf geben, ob es bestimmte Patientengruppen gibt, die von der Über- und/oder Fehlversorgung oder von Missbrauch oder Fehleinnahmen betroffen sind, sowie die damit einhergehenden Kosten im Vergleich zu nicht betroffenen Patientengruppen. Zudem werden Hemmnisse und Hürden einer leitliniengerechten Versorgung aufgezeigt. Dafür werden Befragungs- sowie Routinedaten genutzt und kombiniert, um ein möglichst umfassendes Bild der Versorgungssituation zu erhalten.

Zusammenfassung / Conclusion

Mit der Studie kann die Forschungslücke hinsichtlich der Langzeitanwendung von OA bei NTS aus Sicht von Patienten und Ärzten vor allem in Bezug auf Leitliniengerechtigkeit und Risiken für nicht-bestimmungsgemäßen Gebrauch geschlossen und Kosten aus GKV-Perspektive dargestellt werden. Auf dieser Basis werden Empfehlungen für Versorgungsstrategien erarbeitet.


Authors
Nils Schrader, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen
Anja Niemann, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen
Christian Speckemeier, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen
Cordula Riederer, DAK-Gesundheit
Joachim Nadstawek, Berufsverband der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland – BVSD e.V.
Wolfgang Straßmeir, Berufsverband der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland – BVSD e.V.
Jürgen Wasem, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen
Silke Neusser, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen