Vortragssitzung

Gender und Arztverhalten

Talks

Breaking the Gender Gap: Maßnahmen zur Implementierung von geschlechtersensibler Versorgung.
Sophia Sgraja, Medizinische Hochschule Hannover
Judith Mollenhauer, Figus GmbH

Einleitung / Introduction

Warum versterben Frauen nach einem Herzinfarkt häufiger als Männer? In Leitlinien und Expertenstandards ist die Evidenz berücksichtigt, dass Frauen und Männer eine unterschiedliche medizinische und pflegerische Versorgung benötigen. Doch wird geschlechtersensibler Versorgung (GSV+) bei den Patient:innen ganzheitlich umgesetzt? Mit dem Innovationsfondsprojekt HeartGap wird untersucht, welche Einflussfaktoren es gibt und ob ein Gap zwischen der Evidenz und der Versorgungsrealität besteht.

Methode / Method

Der Status quo der geschlechtersensiblen Versorgung in der Kardiologie wird über ein Mixed-Methods Forschungsdesign bestehend aus einem Scoping Review, qualitative und quantitative Erhebungen sowohl aus Perspektive der Pflegekräfte, Ärzt:innen und Patient:innen betrachtet werden. Aus der Triangulation der Forschungsergebnisse werden Handlungsempfehlungen abgeleitet, um GSV+ nachhaltig im Versorgungsalltag zu implementieren. Fokus dieses Vortrags soll auf den Ergebnissen des Scoping Reviews und der qualitativen Erhebung liegen. Im Zuge des Scoping Reviews wurde untersucht, welche Maßnahmen für die nachhaltige Implementierung von GSV+. eingesetzt werden sollten und welche Herausforderungen bestehen. Ferner sollen Ergebnisse aus 12 qualitativen Fokusgruppeninterviews vorgestellt werden, die im Zeitraum von 01.02.2023 bis 01.10.2023 in 6 Krankenhäusern in unterschiedlichen Regionsgrößen und Versorgungsstufen in Niedersachsen und NRW mit Pflegekräften und Ärzt:innen zum Thema der Umsetzung von GSV+ geführt wurden.

Ergebnisse / Results

Im Zuge des Reviews wurden die identifizierten Maßnahmen zur Förderung der Implementierung von GSV+ in 13 Dimensionen geclustert. Neben krankenhausinternen Faktoren beeinflussen äußere Faktoren, wie bspw. die Universitäten und Ausbildungsstätten, den Erfolg der Umsetzung von GSV+. Zu den Dimensionen „Edukation“ sowie „Forschung und Wissenschaft“ sind die meisten Maßnahmen erfasst worden. Im Zuge der qualitativen Interviews ließ sich feststellen, zeitliche und finanzielle Aspekte, Barrieren in der Implementierung darstellen. Ferner ist die Relevanz von GSV+ nicht bei allen Versorgenden bekannt. Förderfaktoren sind u.a. Evidenzgenerierung, Lehrangebote, Sensibilisierung für das Thema, politische Vorgaben sowie praxisnahe Umsetzungshilfen.

Zusammenfassung / Conclusion

Im HeartGap-Projekt werden Diskrepanzen zwischen den Erwartungen an geschlechtersensible medizinische Leitlinien/Expertenstandards im Krankenhaus und ihrer tatsächlichen Umsetzung untersucht. Trotz vorhandener Leitlinien für geschlechtersensible Versorgung (GSV+) gibt es Hindernisse für die vollständige Umsetzung. Die Implementierung sollte auf interdisziplinärer Ebene und in einem ganzheitlichen Ansatz erfolgen, denn sowohl Frauen als auch Männer profitieren von einer geschlechtersensiblen Versorgung.


Authors
Sophia Sgraja, Medizinische Hochschule Hannover
Judith Mollenhauer, Figus GmbH
Verhalten und Einstellungen von Ärzt*innen gegenüber Trans* Patient*innen – eine Mixed-Methods Studie
Rieka von der Warth, Universitätsklinikum Freiburg

Einleitung / Introduction

Trans* Personen gelten als medizinisch unterversorgt. So gibt es viele Berichte von negativen Erfahrungen von Trans* Patient*innen in der Interaktion mit Ärzt*innen, mit dem Resultat, dass Trans* Personen die Versorgung meiden. Insgesamt ist noch wenig über das Verhalten und die Einstellungen von Ärzt*innen gegenüber dieser Zielgruppe bekannt. Erste Ergebnisse geben einen Hinweis darauf, dass den Ärzt*innen Wissen über die Stichprobe fehlt, um eine adäquate Versorgung zu gewährleisten. Ziel der vorliegenden Studie ist es daher, das selbstberichtete Verhalten und die Einstellungen von Ärzt*innen gegenüber Trans* Patient*innen zu erfassen.

Methode / Method

Im Sommer 2023 wurde eine Mixed-Methods Studie mit Ärzt*innen durchgeführt. Das Verhalten und die Einstellungen zu Trans* Patient*innen wurden mittels eines mehrstufigen Surveys erfasst. Hierbei wurde zunächst gemessen, ob Ärzt*innen das, von Trans*Personen gewünschte, Interaktionsverhalten bereits zeigen (6-stufige Likert-Skala). Wurden die Items mit trifft überhaupt nicht zu/trifft nicht zu beantwortet, wurden die Ärzt*innen in Bezug auf diese Verhaltensweisen gefragt, ob Sie sich grundsätzlich in der Lage sehen, das Verhalten zu zeigen (dichotom: ja/nein). Daraufhin wurden die Teilnehmenden qualitativ gefragt, welche Gründe es gibt, warum sie das Verhalten bisher nicht zeigen oder auch in Zukunft nicht zeigen wollen. Die Items sind Teil eines neu entwickelten Fragebogens zur Erfassung der Kommunikationspräferenzen bei Trans* Patient*innen und unterscheidet zwischen allgemeinen und geschlechtsspezifischen Interaktionsverhalten. Die Auswertungen erfolgten deskriptiv.

Ergebnisse / Results

N= 89 Ärzt*innen haben der Studienteilnahme zugestimmt, n=57 haben den Survey beendet. In Bezug auf die Items zum Allgemeinen Interaktionsverhalten gab die Mehrheit der Teilnehmenden an, dass sie dem gewünschten Verhalten bereits entsprechen (jeweils mind. 95,3% pro Item). Im Gegensatz dazu sagten jeweils mind. 13%, dass sie, in Bezug auf das geschlechtsspezifische Verhalten, den Wünschen bislang nicht entsprechen würden. Am seltensten würden sich die Teilnehmenden selbst mit Pronomen vorstellen (79,4%). Davon gaben wiederum 61,4% an, dass sie sich auch nicht in der Lage sehen würden, das Verhalten zu zeigen. Gründe dafür konnten in 9 Kategorien eingeordnet werden, u.a. das keine Notwendigkeit, Unsicherheiten im Umgang mit der Thematik, die Annahme das Geschlecht binär sei und transphobische Annahmen.

Zusammenfassung / Conclusion

Ärzt*innen haben sowohl positive als auch negative verhaltensbezogene Einstellungen gegenüber Trans* Personen, wobei manche Ärzt*innen sich nicht in der Lage sehen, das von der Zielgruppe gewünschte Verhalten zu zeigen.


Authors
Rieka von der Warth, Universitätsklinikum Freiburg
Mirjam Körner, Berner Fachhochschule / Universitätsklinikum Freiburg
Erik Farin-Glattacker, Universitätsklinikum Freiburg