Vortragssitzung

HIV und Nierenerkrankungen

Talks

Hohe Adhärenz bei der Einnahme GKV erstatteter HIV-Präexpositionsprophylaxe - Ergebnisse des Routinedatenmoduls der EvE-PrEP Studie
Frederik Valbert

Einleitung / Introduction

Seit September 2019 ist die HIV-Präexpositionsprophylaxe (PrEP) für alle Personen mit Gesetzlicher Krankenversicherung (GKV) mit substantiellem HIV-Risiko ab dem 16. Lebensjahr erstattungsfähig. Effekte dieser Gesetzesänderung wurden in der Studie zur Evaluation der Einführung der HIV-Präexpositionsprophylaxe als Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung (EvE-PrEP) untersucht. Hier werden Ergebnisse aus dem GKV-Routinedatenmodul der Studie vorgestellt.

Methode / Method

Es wurden Routinedaten der DAK Gesundheit, der Techniker Krankenkasse und der AOK - Die Gesundheitskasse aus dem Zeitraum 01.01.2019 bis 31.03.2020 unter anderem hinsichtlich der Charakteristika der PrEP-Nutzenden sowie deren Adhärenz bei der Einnahme der PrEP analysiert. PrEP Abgaben wurden über die Abgabe von Kombinationspräparaten aus Tenofovirdisoproxil und Emtricitabin ohne gleichzeitige Abgabe weiterer Arzneimittel zur antiretroviralen Therapie operationalisiert. Die Adhärenz wurde indirekt geschätzt, indem der Quotient aus den abgegebenen PrEP-Tagesdosen und der vermuteten Anzahl an Tagen unter PrEP auf individueller Ebene berechnet wurde.

Ergebnisse / Results

Die kooperierenden Krankenkassen deckten im Jahr 2019 etwa 52% aller GKV-Versicherten in Deutschland ab. Davon konnten 7.102 Personen mit PrEP-Nutzung in die Analysen eingeschlossen werden. Die PrEP-Nutzenden dieser Kohorte sind fast ausschließlich männlich, im Durchschnitt 37 Jahre alt und kommen überwiegend aus den fünf größten Städten Deutschlands, allen voran Berlin. Der Modalwert der geschätzten Adhärenz liegt bei 100%, der Mittelwert bei 87%. PrEP-Nutzenden mit einem unterdurchschnittlich niedrigen Quotienten sind im Vergleich zur übrigen Studienkohorte statistisch signifikant jünger und häufiger aus einer der fünf größten Städte Deutschlands. Quotienten über 120% konnten bei gerundet 3% der PrEP-Nutzer beobachtet werden.

Zusammenfassung / Conclusion

Die Ergebnisse des Routinedatenmoduls der EvE-PrEP-Studie lassen anhand einer sehr großen Datenbasis darauf schließen, dass das häufigste Einnahmeschema der PrEP die tägliche Einnahme war. Den Nachteilen der indirekten Ermittlung in den Routinedaten steht dabei der Vorteil gegenüber, dass auch Phänomene beobachtet werden konnten, die in einer Erhebung über eine Befragung gegebenenfalls nicht berichtet werden würden (beispielweise vereinzelter PrEP-Bezug, der weit über den erwarteten Bedarf der Einzelperson liegt).


Authors
Frederik Valbert, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen, Essen
Daniel Schmidt, Abteilung für Infektionsepidemiologie, Robert Koch-Institut
Christian Kollan, Abteilung für Infektionsepidemiologie, Robert Koch-Institut
Patrik Dröge, Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO), AOK-Bundesverband
Melanie Klein, DAK Gesundheit
Udo Schneider, Techniker Krankenkasse
Martin Friebe, Abteilung für Infektionsepidemiologie, Robert Koch-Institut
Jürgen Wasem, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen
Anja Neumann, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen
HIV-Indikatorerkrankungen in Deutschland – Studienprotokoll der HeLP-Studie
Anja Neumann, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen

Einleitung / Introduction

Eine der größten verbliebenden Herausforderungen hinsichtlich der Versorgung von Menschen mit HIV in Deutschland liegt in der möglichst frühen Diagnose der Infektion. So geht eine späte HIV-Erstdiagnose mit einem erhöhten Risiko hinsichtlich der Morbidität, der Mortalität und weiterer Transmissionen einher. Dennoch wissen etwa 10% der Menschen, die in Deutschland mit HIV leben, nicht um ihren Status und etwa die Hälfte wird erst in einem fortgeschrittenen Krankheitsstadium diagnostiziert. Eine konsequente HIV-Testung bei Vorliegen von HIV-Indikatorerkrankungen gilt als ein effektiver Ansatz zur Verbesserung der frühen Diagnostik. Als HIV-Indikatorerkrankungen gelten dabei Erkrankungen, die bei HIV-positiven Personen als AIDS-definierend gelten, bei denen eine unentdeckte HIV-Infektion die Therapie deutlich negativ beeinflussen würde oder bei denen bei einem relevanten Anteil der Betroffenen eine (unentdeckte) HIV-Infektion vorliegt. Dennoch existiert bislang keine speziell für Deutschland validierte Einordnung von Erkrankungen als HIV-Indikatorerkrankungen.

Methode / Method

In der HIV-Testempfehlungen in Leitlinien und Praxis (HeLP)-Studie werden international beschriebene potentielle HIV-Indikatorerkrankungen identifiziert und hinsichtlich ihrer Gültigkeit im deutschen Versorgungsgeschehen in verschiedenen Datensätzen analysiert (AOK-Routinedaten, HIV-1 Serokonverterstudie und ClinSurv-HIV). Anschließend werden Leitlinien von validierten HIV-Indikatorerkrankungen hinsichtlich der Erwähnung/dem Empfehlen von HIV-Tests gesichtet. Unter anderem Gründe, HIV-Testempfehlungen in Leitlinien (nicht) auszusprechen, werden mit Erstellern von entsprechenden Leitlinien in semistrukturierten Interviews erhoben. Zudem wird eine Zufallsstichprobe aus niedergelassenen Ärzten postalisch hinsichtlich ihres Wissens über HIV-Testempfehlungen in Leitlinien sowie zu Barrieren bei dem Angebot von HIV-Tests in der klinischen Praxis befragt.

Ergebnisse / Results

Die HeLP-Studie liefert für das deutsche Versorgungsgeschehen spezifische Erkenntnisse hinsichtlich der Prävalenz/Inzidenz von HIV-Infektionen bei Personen mit HIV-Indikatorerkrankungen, hinsichtlich verschiedener Facetten von HIV-Testempfehlungen in medizinischen Leitlinien sowie hinsichtlich Hemmnisse in der Praxis bei der HIV-Testung von Personen mit HIV-Indikatorerkrankungen.

Zusammenfassung / Conclusion

Die HeLP-Studie hat das Potential, eine adäquate HIV-Testung bei HIV-Indikatorerkrankungen zu unterstützen und somit die möglichst frühzeitige Identifikation von HIV-Infektionen in Deutschland zu stärken.


Authors
Frederik Valbert, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen
Uwe Koppe, Abteilung für Infektionsepidemiologie, Robert Koch-Institut
Daniel Schmidt, Abteilung für Infektionsepidemiologie, Robert Koch-Institut
Amrei Krings, Abteilung für Infektionsepidemiologie, Robert Koch-Institut
Barbara Gunsenheimer-Bartmeyer, Abteilung für Infektionsepidemiologie, Robert Koch-Institut
Patrick Dröge, Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO), AOK-Bundesverband
Thomas Ruhnke, Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO), AOK-Bundesverband
Georg Behrens, Klinik für Rheumatologie und Immunologie, Medizinische Hochschule Hannover, Deutsches Zentrum für Infektionsforschung
Markus Bickel, Infektiologikum Frankfurt
Christoph Boesecke, Medizinische Klinik I, Universitätsklinikum Bonn, Deutsches Zentrum für Infektionsforschung
Stefan Essen, Klinik für Dermatologie und Venerologie, Universitätsklinikum Essen
Jürgen Wasem, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen
Anja Neumann, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen
Kostenhomogenität intermittierender Hämodialyseverfahren im stationären Sektor
Markus Krohn, Universität Greifswald

Einleitung / Introduction

Intermittierende Hämodialyseverfahren im stationären Sektor werden mittels Zusatzentgelt ZE01.01 abgerechnet (Patient älter 14 Jahre). Dieses ZE resultiert aus den OPS 8-854.2, 8-854.3, 8-854.4 sowie 8-854.5. Hierbei wird zwischen „intermittierend“ (.2 und .3) und „verlängert intermittierend“ (.4 und .5) sowie zwischen „Antikoagulation mit Heparin oder ohne Antikoagulation“ (.2 und .4) und „Antikoagulation mit sonstigen Substanzen“ (.3 und .5) unterschieden. Da neben dieser Differenzierung weitere Unterschiede in den Bereichen des Gefäßzugangs (Shunt vs. Katheter) oder dem Ort der Behandlung (Normal- vs. Intensivstation) bestehen, stellt sich die Frage, inwieweit hierdurch die Kostenhomogenität beeinflusst wird.

Methode / Method

Die Analyse untersucht die Situation an einem Krankenhaus der Maximalversorgung. Basierend auf Informationen zum Personaleinsatz des Ärztlichen Dienstes und des Pflegedienstes sowie unter Einbezug der Material- und Medikamentenkosten werden die Kosten je Verfahren mittels Monte-Carlo-Simulation ermittelt. Als Inputs dienen die identifizierten Verteilungen zu Prozesszeiten, Kosten- und Mengeninformationen zu Materialen und Medikamenten sowie die Anteile der einzelnen Behandlungsoptionen. Es wird der Einfluss der Parameter „Gefäßzugang“, „Behandlungsort“, „1:1-Betreuung“ und „Antikoagulation“ untersucht. Die Analyse wird jeweils für die Zeit vor sowie nach der Ausgliederung der Pflegepersonalkosten vorgenommen, da auch das ZE01.01 von der Ausgliederung betroffen ist.

Ergebnisse / Results

Es zeigt sich, dass inklusive der Pflegepersonalkosten ein Homogenitätskoeffizient der Kosten (HK) von 0,77 über alle Fälle resultiert. Die größte Verbesserung wird bei einem Split nach Antikoagulation erreicht. Es resultiert ein HK von 0,88 für Behandlungen mit Heparin und ein HK von 0,79 für sonstige Substanzen. Dieser Wert von 0,79 lässt sich durch einen Split nach dem Behandlungsort weiterhin verbessern (0,90 auf Intensivstationen; 0,94 auf Dialyseabteilung). Werden die Pflegepersonalkosten nicht betrachtet, resultiert ein HK von 0,85 über alle Fälle, der bei Unterteilung nach Antikoagulation auf 0,88 (Heparin) und 0,90 (Sonstige) steigt.

Zusammenfassung / Conclusion

Es wird deutlich, dass die Ausgliederung der Pflegepersonalkosten die Kostenhomogenität des ZE01.01 erhöht hat. Insgesamt bleibt jedoch fraglich, wieso die selbst durch OPS abbildbare Teilung nach Antikoagulation im Zusatzentgelt trotz eines Kostenunterschiedes von knapp 20 Euro je Verfahren nicht erfolgt, obwohl z.B. das verwandte Verfahren der Hämodiafiltration ein separates ZE enthält (ZE02), welches nur um acht Euro verschieden ist. Auch zeigt es sich, dass die Leistung der Dialysepflege nur noch schlecht abbildbar ist, da den ausgegliederten Kosten keine dialysebezogene Pflegeerlös-Bewertungsrelation gegenübersteht.


Authors
Markus Krohn, Universität Greifswald
Steffen Fleßa, Universität Greifswald
Entwicklung der krankheitsbedingten Erwerbsminderung in Deutschland am Beispiel chronischer Nierenerkrankungen
Julian Witte, Vandage GmbH

Einleitung / Introduction

Die Gesundheit und die Erwerbsbeteiligung nehmen bei vielen Menschen bereits vor dem Rentenalter ab, sodass ein erheblicher Teil der älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von prekären Altersübergängen betroffen ist. Dieses häufig unterschätzte Risiko spiegelt sich auch in der hohen Zahl von Personen wider, die aufgrund von chronischen Erkrankungen eine Erwerbsminderungsrente (EM-Rente) beantragen. Ende 2020 erhielten in Deutschland 1,8 Millionen Menschen eine EM-Rente, wobei jährlich ca. 170.000 neue Versicherte eine EM-Rente bewilligt bekommen. Die Diagnosen, die zu einer Bewilligung einer EM-Rente führen, haben sich in den letzten Jahrzehnten verändert. Obgleich psychische Erkrankungen als Grund zum Eintritt in eine EM-Rente in den vergangenen Jahren stark zugenommen haben, dominiert aktuell noch das Risiko, den Arbeitsmarkt aufgrund einer chronisch-somatischen Erkrankung vorzeitig zu verlassen.

Methode / Method

Auf Basis des Scientific use files des Forschungsdatenzentrums der Deutschen Rentenversicherung (DRV) wurde die jährliche Anzahl und das durchschnittliche erkrankungsspezifisch Zugangsalter in eine EM-Rente im Zeitraum von 2000 bis 2020 analysiert. Betrachtet werden alle Personen mit EM-Renteneintritt im Beobachtungszeitraum im Allgemeinen, sowie spezifisch für chronische Nierenerkrankungen. Analysen erfolgen deskriptiv und unter Anwendung geeigneter Modellanalysen, differenziert nach Geschlecht, Schweregrade und Rehabilitationshistorie.

Ergebnisse / Results

Das durchschnittliche Alter bei EM-Rentenzugang betrug ca. 53 Jahre (2020: Frauen: 52,8 Jahre, Männer: 53,7 Jahre). Personen mit Nierenerkrankung sind bei EM-Renteneintritt im Mittel etwas jünger (Frauen und Männer: 52,7 Jahre). Bei Personen mit Nierenerkrankungen ist ein vom Durchschnitt abweichender Trend einer überproportional starken Zunahme des Alters bei Eintritt in eine EM-Rente zwischen 2000 und 2020 zu beobachten. Im Jahr 2000 waren durchschnittliche EM-Rentenbezieher mit Nierenerkrankung als ausschlaggebende Hauptdiagnose noch ca. 4,5 Jahre jünger als der durchschnittliche EM-Rentenbezieher.

Zusammenfassung / Conclusion

Das mittlere Alter bei krankheitsbedingtem vorzeitigem Ausscheiden aus dem Berufsleben hat für Personen mit chronischen Nierenerkrankungen in den vergangenen Jahren überproportional stark zugenommen. Potenzielle Einflussfaktoren können neben versicherungsrechtlichen Regelungen, den Verhältnissen auf dem Arbeitsmarkt insbesondere auch am Zeitpunkt der Erkrankungsdiagnose sowie den Behandlungsmöglichkeiten liegen. Trotzdem scheiden Personen mit Nierenerkrankungen nach wie vor überdurchschnittlich früh aus dem Erwerbsleben aus. Mögliche zu diskutierende Gründe können in der Erkrankungsschwere sowie der Belastung späterer Erkrankungsstadien auf die Erwerbsfähigkeit liegen.


Authors
Julian Witte, Vandage GmbH
Alena Zeitler, Vandage GmbH
Bastian Surmann, Vandage GmbH
Charlotte Wilkens, AstraZeneca