Vortragssitzung

Evaluation von Gesundheitsleistungen 1

Vorträge

Patient preferences for robotic and assistance technologies in healthcare: A Discrete Choice Experiment
Ann-Kathrin Fischer, Hochschule Neubrandenburg

Einleitung / Introduction

Der zunehmende Bedarf an rehabilitativen Therapieleistungen bei gleichzeitigem Fachkräftemangel und steigenden Kosten führt zu einem Bedarf an neuen Lösungen im Gesundheitswesen. Ein Lösungsansatz ist die Einführung von Roboter- und Assistenzsystemen. Die Konfrontation der Patienten mit den neuen digitalen Therapieformen zeigt eine noch fehlende Evidenz über die Akzeptanz auf. Akzeptanz ist eine Voraussetzung für das Engagement und damit auch für schnelle und langfristige Behandlungsergebnisse (Effektivität) und kosteneffizienten Ressourceneinsatz (Effizienz).

Methode / Method

Das vorliegende Studienprotokoll beinhaltet das Design einer Health Preference Research Study (HPR). Mithilfe einer Stated-Preference Studie werden Akzeptanz und Präferenzen von Patienten bewertet. Die Identifikation des Entscheidungskontextes erfolgte auf Basis vorhandener Literatur und qualitativer Interviews. Es wurde eine Auswahl an Therapiemerkmalen getroffen, die in einem Discrete Choice Experiment (DCE) zur Quantifizierung der relativen Bedeutung der Merkmale eingebettet werden. Für die Analyse werden Logit-basierte Ansätze verwendet. Die Heterogenität wird mit Hilfe der latenten Klassenanalyse analysiert.

Ergebnisse / Results

Das primäre Ziel der Studie war die Bewertung der Kriterien von Therapien mit Roboter- und Assistenztechnologien, die zur Akzeptanz durch die Patienten führen. Die sekundären Ziele waren die Bewertung des Nutzens und des Aufwandes, die Bewertung der relativen Bedeutung von Attributen für den Vergleich von Alternativen und die Identifizierung von Schlüsselattributen, die die Patientenadhärenz beeinflussen. Menschen akzeptieren etwas, indem sie positive und negative Eigenschaften abwägen und Kompromisse eingehen. Um die Akzeptanz zu bewerten, wurden Kompromisse analysiert, die Patienten bereit sind zu treffen bei der Auswahl einer Therapie. Es wurden sieben entscheidungsrelevante Kriterien für Patienten ermittelt. Vorteile lassen sich vor allem in höherer Flexibilität und Individualität erkennen. Urteile von Patienten ändern sich je nach Erfahrung, Einstellung und gesundheitsbezogenem Bedarf.

Zusammenfassung / Conclusion

Diese HPR-Studie dokumentiert die Behandlungspräferenzen für digitale gesundheitsbezogene Dienstleistungen. Die Liste der Behandlungsattribute umfasst technische Aspekte und therapiebezogene Attribute, wie z. B. finanzielle und klinische Attribute. Damit stellt die Studie einen Versuch dar, ein generisches Modell zu entwickeln, welches Patientenpräferenzinformationen (PPI) für digitale Roboter- und Assistenztechnologien in Therapien bereitstellt. Diese Informationen sollen auf die Breite an Technologien übertragen werden können, um den Wert der Therapie zu bestimmen und Entscheidungen zu verbessern.


AutorInnen
Ann-Kathrin Fischer, Hochschule Neubrandenburg
Ökonomische Evaluation der fiskalischen Konsequenzen der symptomatischen Alzheimer-Krankheit in Deutschland: Eine Mikrosimulation aus staatlicher Perspektive
Bernhard Michalowsky, Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE)

Einleitung / Introduction

Die Alzheimer-Erkrankung ist mit erheblichen Ausgaben für das Gesundheitssystem sowie Auswirkungen auf pflegende Angehörige verbunden. Aktuelle Krankheitskostenstudien berücksichtigen jedoch weder in ausreichendem Maße die fiskalischen Konsequenzen von Produktivitätsverlusten der Betroffenen und ihrer pflegenden Angehörigen noch weitere staatliche Transferleistungen zur Unterstützung der Betroffenen. Ziel dieser Arbeit war es daher die lebenslangen ökonomischen Folgen der Alzheimer-Erkrankung bei Patienten und pflegenden Angehörigen aus Perspektive des Staates auszuweisen.

Methode / Method

Wir haben innerhalb einer Mikrosimulation eine synthetische Kohorte bestehend aus 1.000 Paaren von Menschen mit Alzheimer und ihren pflegenden Angehörigen mit 1.000 altersgleichen, gesunden Kontrollpaaren aus der Allgemeinbevölkerung verglichen. Der Krankheitsverlauf wurde mit Hilfe von Daten aus veröffentlichten Studien modelliert. Die Arbeitsmarktbeteiligung, erhaltene finanzielle Unterstützung für formelle Pflegeleistungen und informelle Pflege sowie gezahlte Steuern wurden entsprechend des Erkrankungsschweregrades und der Pflegebedürftigkeit anhand deutscher Arbeitsstatistiken und Steuersätze geschätzt. Zusätzlich wurden die Gesundheitskosten je Schweregrad aus verschiedenen deutschen Veröffentlichungen entnommen. Die Kosten und die Lebensjahre wurden diskontiert (3%). Hauptergebnis waren die inkrementellen Unterschiede der fiskalischen Konsequenzen zwischen der Alzheimer-Kohorte und der altersgleichen Kohorte der Allgemeinbevölkerung aus staatlicher Perspektive.

Ergebnisse / Results

Über die gesamte Restlebenszeit wies eine einzelne Dyade (Menschen mit Alzheimer und pflegende Angehörige) einen Steuerverlust von 82.455 € aus. 63 % der Kosten ergab sich aufgrund von entgangenen Steuereinnahmen durch eine reduzierte Arbeitstätigkeit pflegender Angehöriger, welche einen geringeren Verdienst von 89.993 € im Vergleich zur nicht von Alzheimer betroffenen Dyade auswiesen. Geldleistungen zur informellen Pflege sowie finanzielle Unterstützungen für Sachleistungen der formellen Pflege machten 22,9 % der zusätzlichen Kosten aus. Die Kosten der medizinischen Versorgung hingegen trugen lediglich 4,8 % bei. Dieser geringere Anteil der Versorgungskosten ergab sich vor allem aufgrund einer verringerten Lebenszeit der Menschen mit Alzheimer im Vergleich zu den gesunden Kontrollen.

Zusammenfassung / Conclusion

Die Alzheimer-Erkrankung wirkt sich nicht nur auf die Gesundheitsausgaben der Kranken- und Pflegekassen aus, sondern im erheblichen Maße auch auf die staatlichen Ein- und Ausgaben. Diese fiskalischen Kosten sollten daher in zukünftigen Kostenschätzungen berücksichtigt werden, um so politische Entscheider umfassender über die ökonomischen Konsequenzen der Alzheimer-Erkrankung aufzuklären.


AutorInnen
Bernhard Michalowsky, Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), Rostock/Greifswald, Greifswald, Germany
Carlotta Plesnila-Frank, Biogen Deutschland GmbH, München, Germany
Michael Urbich, Biogen International , Baar, Switzerland
Mark P. Connolly, Global Market Access Solutions, Health Economics Unit, St-Prex, Switzerland
Rui Martins, Global Market Access Solutions, Health Economics Unit, St-Prex, Switzerland
Gesundheitsbezogene Lebensqualität in der frühen Nutzenbewertung von onkologischen Arzneimitteln: Inwieweit sind die Erhebungsinstrumente selbst Evidenz-basiert?
Ch.-Markos Dintsios, Institut für Versorgungsforschung und Gesundheitsökonomie, Medizinische Fakultät, HHU Düsseldorf

Einleitung / Introduction

Gesundheitsbezogene Lebensqualität (HRQoL) stellt eine bedeutsame Zielgröße für die Feststellung eines medizinischen Zusatznutzens bei onkologischen Erkrankungen im Kontext der frühen Nutzenbewertung (FNB) dar. Untersucht wird, inwieweit in die FNB eingebrachte Ergebnisse zur HRQoL auf robusten Erkenntnissen gründen. Im Fokus stehen zum einen die Übereinstimmung der Populationen in den Therapie- und Validierungsstudien und zum anderen die in ausgewählten Validierungsstudien gefundenen Gütekriterien häufig eingesetzter Messinstrumente.

Methode / Method

Grundlage der Untersuchung sind die abgeschlossenen onkologischen FNB, deren Bewertungsbeginn bis in den Januar 2016 reicht (N = 59). Unterlagen zu den Verfahren mit den 6 verbreitetsten Erhebungsinstrumenten der HRQoL bei onkologischen PatientInnen (EORTC QLQ-C30, EQ-5D, FACT-P, FACT-M, EORTC QLQ-MY20, FACT-Lym) in der FNB wurden im Volltext gesichtet und über inhaltliche Kategorisierungen wurden Angaben zu Alter, Geschlecht, Grad der Erkrankungsschwere, Ethnie und geographische Region in Therapie- und Validierungsstudien sowie zu den psychometrischen Gütekriterien in den Validierungsstudien (Validität, Reliabilität, Änderungssensitivität) erfasst.

Ergebnisse / Results

HRQoL wird in 47/59 onkologischen FNB erhoben und zur Ableitung eines Zusatznutzens berichtet. Insbesondere für die krankheitsspezifischen Profilinstrumente gilt, dass die Validierungsstudien zu 54% völlig und zu 18% anteilig mit dem Anwendungsgebiet des zu bewertenden Arzneimittels übereinstimmen. Bemessen an allen paarweisen Vergleichen von zu bewertender Studie und Validierungsstudie bei anteiliger Übereinstimmung im Anwendungsgebiet, sind zu 83% für das Alter, 54% für das Geschlecht, 83% für den Grad der Erkrankungsschwere, 59% für die Ethnie und zu 71% für die geographische Region statistisch signifikante Gruppenunterschiede festgestellt worden. Zu 8 Validierungsstudien wurden deren Gütekriterien untersucht. Erkennbar sind in 2 Fällen unberücksichtigte, in 2 weiteren Fällen eingeschränkt bzw. in 4 Fällen ungleich belastbare Subskalen oder Komponenten von Erhebungsinstrumenten sowie insgesamt das Fehlen einer standardisierten Methodik zum Vorgehen bei der Berücksichtigung der Gütekriterien von Validierungsstudien und deren Abweichungen mit den eingereichten HRQoL Erhebungen.

Zusammenfassung / Conclusion

Ausreichende Evidenz für die Validität von Instrumenten zur HRQoL setzt die Durchführung qualifizierter und an die Behandlungssituation pivotaler Therapiestudien angelehnter Validierungsstudien voraus. Der Fokus sollte darauf gerichtet sein, Evidenzlücken offenzulegen und Restriktionen im Zuge der beanspruchten Validität zu diskutieren. Perspektivisch sollten Anstrengungen intensiviert werden, durch neue Validierungsstudien solche Lücken zu schließen.


AutorInnen
Holger Bender, Institut für Versorgungsforschung und Gesundheitsökonomie, Medizinische Fakultät, HHU Düsseldorf
Andrea Icks, Institut für Versorgungsforschung und Gesundheitsökonomie, Medizinische Fakultät, HHU Düsseldorf
Ch.-Markos Dintsios, Institut für Versorgungsforschung und Gesundheitsökonomie, Medizinische Fakultät, HHU Düsseldorf
Ökonomische Evaluation des Hautkrebsscreenings in Deutschland
Christian Speckemeier, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen, Thea-Leymann-Str. 9, 45127 Essen

Einleitung / Introduction

Seit 2008 haben gesetzlich Versicherte ab dem 35. Lebensjahr alle zwei Jahre einen Anspruch auf ein Hautkrebsscreening (HKS). Im Rahmen der vom Innovationsfonds geförderten „Evaluation des Hautkrebsscreenings bei AOK-Versicherten in Deutschland“ (EvaSCa) sollen verschiedene medizinische und gesundheitsökonomische Faktoren zwischen Versicherten, deren Tumor mittels HKS aufgedeckt wurde, und Versicherten, bei denen der Hautkrebs nicht durch ein HKS aufgedeckt wurde, verglichen werden. Die hier vorgestellte gesundheitsökonomische Begleitevaluation des Projekts sieht eine Analyse der Kosten in den 12 Monaten nach der Hautkrebsdiagnose vor.

Methode / Method

Der Einfluss des HKS wurde im Rahmen einer Difference-in-Differences-Analyse mithilfe von Regressionsmodellen untersucht. Die Risikoadjustierung erfolgte mittels Pharmacy-based Metrics und Elixhauser Comorbidity Index. Als Datenbasis dienten Routinedaten von AOK-Versicherten mit einem 2014 oder 2015 diagnostizierten malignem Melanom (MM, ICD-10: C43) oder nicht-melanozytärem Hautkrebs (NMSC, ICD-10: C44). Es wurde ein Frequency-Matching nach Altersgruppe, Geschlecht, Bundesland und Diagnose (C43, C44) durchgeführt. Versicherte wurden der HKS-Gruppe zugeordnet, wenn in den letzten drei Monaten vor der Hautkrebsdiagnose ein HKS nach der Gebührenordnungsziffer 01745 oder 01746 erfolgt ist.

Ergebnisse / Results

Es wurden 131.801 Versicherte eingeschlossen, von denen 13.633 Versicherte (10,3%) eine MM-Diagnose und 118.168 Versicherte (89,7%) eine NMSC-Diagnose aufwiesen. Die Deskription der Gesamtkosten (ohne Risikoadjustierung) zeigt niedrigere durchschnittliche Gesamtkosten bei Versicherten, deren Hautkrebs im Rahmen des HKS aufgedeckt wurde (MM: €5.326 (95%-Konfidenzintervall (KI): €5.073-€5.579) vs. €9.038 (95%-KI: €8.629-€9.448); NMSC: €4.660 (95%-KI: €4.573-€4.745) vs. €5.890 (95%-KI: €5.813-€5.967). Die Ergebnisse der Regressionsanalyse zeigen, dass die Gesamtkosten in den 12 Monaten nach der Hautkrebsdiagnose für Versicherte mit MM-Diagnose, bei denen der Hautkrebs im Rahmen des HKS aufgedeckt wurde, niedriger waren als bei Versicherten, bei denen der Hautkrebs nicht mittels HKS aufgedeckt wurde. Bei Versicherten mit NMSC-Diagnose zeigten sich geringfügig höhere Kosten. Der Unterschied ist nicht substanziell.

Zusammenfassung / Conclusion

Die niedrigeren Kosten bei Versicherten mit MM-Diagnose deuten darauf hin, dass durch das HKS frühere Stadien der Hautkrebserkrankung entdeckt werden. Da die einbezogenen Daten keine Unterscheidung zwischen anlassbezogenem und echtem Screening zuließen und das Stadium der Hautkrebserkrankung nicht in den Abrechnungsdaten enthalten ist, können jedoch nur eingeschränkte Aussagen zum ökonomischen Nutzen des HKS getroffen werden. Zukünftig wäre die Durchführung einer Primärerhebung zur Gegenüberstellung der beiden Gruppen wünschenswert.


AutorInnen
Christian Speckemeier, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen, Thea-Leymann-Str. 9, 45127 Essen
Kathrin Pahmeier, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen, Thea-Leymann-Str. 9, 45127 Essen
Pietro Trocchi, Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Universitätsklinikum Essen, Hufelandstr. 55, 45147 Essen
Katrin Schuldt, Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Universitätsklinikum Essen, Hufelandstr. 55, 45147 Essen
Hildegard Lax, Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Universitätsklinikum Essen, Hufelandstr. 55, 45147 Essen
Michael Nonnemacher, Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Universitätsklinikum Essen, Hufelandstr. 55, 45147 Essen
Patrik Dröge, Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO), Rosenthaler Str. 31, 10178 Berlin
Andreas Stang, Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Universitätsklinikum Essen, Hufelandstr. 55, 45147 Essen; Department of Epidemiology, Boston University School of Public Health, 715 Albany St, Boston, MA 02118, USA
Jürgen Wasem, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen, Thea-Leymann-Str. 9, 45127 Essen
Silke Neusser, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen, Thea-Leymann-Str. 9, 45127 Essen