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Kosteneffektivität der interprofessionellen Zusammenarbeit zur Reduzierung von Krankenhausaufenthalten bei Pflegeheimbewohnern: Ergebnisse aus der deutschen interprofACT-Studie.
Louisa-Kristin Muntendorf, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Einleitung / Introduction

Daten über die Häufigkeit von Krankenhausaufenthalten können einen Hinweis auf die gesundheitliche Belastung der Bewohner von Pflegeheimen (PB) geben. Die deutsche, multizentrische, cluster-randomisierte, kontrollierte Studie interprofACT untersuchte, ob Interventionen zur Verbesserung der interprofessionellen Zusammenarbeit zwischen dem Pflegeheimpersonal und den örtlichen Hausärzten zu einer Verringerung der Krankenhausaufenthalte führen und die Lebensqualität der PBs verbessern können.

Methode / Method

Die Kosteneffektivität der interprofACT-Maßnahmen zur Vermeidung von Krankenhausaufenthalten wurde im Vergleich zur derzeitigen Standardversorgung über 12 Monate bewertet. Die Studie umfasste 622 PBs in 34 Pflegeheimen in Deutschland. Die Kosten wurden durch Multiplikation des Ressourcenverbrauchs innerhalb der Gesundheitsversorgung mit den deutschlandspezifischen Kosten pro Einheit berechnet. Die Effektivität der Intervention wurde durch Multiplikation der EQ-5D-5L-Werte mit deutschspezifischen Nutzengewichten gemessen. Die Basecaseanalyse wurde mit dem Intention-to-treat-Ansatz durchgeführt und durch verschiedene Scenarioanalysen ergänzt. Unsicherheiten wurden mittels Net-Benefit Regression und der Erstellung von Kosten-Effektivitäts-Akzeptanzkurven berücksichtigt. Die Studie wurde aus Sicht der deutschen Sozialversicherung durchgeführt.

Ergebnisse / Results

In der Basisanalyse war die Intervention mit einer nicht signifikanten Kosteneinsparung in Höhe von 397,76€ und einem ebenfalls nicht signifikanten QALY-Verlust in Höhe von 0,021 QALYs verbunden. Da in der Kontrollgruppe mehr Todesfälle als in der Interventionsgruppe auftraten, wurde der QALY-Verlust in Szenarioanalyse 1 auf 0,013 QALYs reduziert. Lediglich in Szenarioanalyse 3 fand sich ein deutlicher QALY-Gewinn von 0,05 QALYs, der jedoch ebenfalls nicht signifikant war. Darüber hinaus fand sich Szenario 3 auch die größte Kosteneinsparung durch die Intervention in höhe von 1.192,71€ (nicht signifikant). Szenarioanalyse 3 deutet darauf hin, dass die Intervention für PBs mit hohen Pflegegraden effektiv sein könnte.

Zusammenfassung / Conclusion

Die Studie wurde teilweise während der COVID-19-Pandemie durchgeführt, was zu einer erhöhten Arbeitsbelastung des medizinischen Personals in den Pflegeheimen führte und möglicherweise dazu beitrug, dass in der Interventionsgruppe nach 12 Monaten keine Nutzendaten vorlagen. Die Studiendaten zeigten, dass die Gesamtzahl der Komorbiditäten und der Grad der Abhängigkeit zu Studienbeginn in der Interventionsgruppe höher war als in der Kontrollgruppe. Die interprofACT-Intervention ist im Vergleich zur derzeitigen Standardversorgung nicht kosteneffektiv.


AutorInnen
Louisa-Kristin Muntendorf, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Hans-Helmut König, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Alexander Konnopka, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Weiterentwicklung des Qualitätswettbewerbs im deutschen Gesundheitssystem - Ergebnisse einer Delphi-Expertenbefragung
Daniel Negele, Universität Bayreuth

Einleitung / Introduction

Ein Qualitätswettbewerb wird in vielen internationalen Gesundheitssystemen mit der Zielstellung genutzt, die Qualität der Versorgung zu verbessern. Zu den qualitätswettbewerblichen Instrumenten zählen insbesondere die Qualitätsmessung, das Public Reporting, selektives Kontrahieren und Pay for Performance. In Deutschland existieren einzelne Maßnahmen und es wurden in der Vergangenheit Versuche unternommen, einen Qualitätswettbewerb zu induzieren. Die Möglichkeiten sind im Status quo aber stark limitiert. Zudem fehlt eine systematische ordnungspolitische Einbettung. Gleichzeitig zeigen Qualitätskennzahlen aber einen Handlungsbedarf auf. Als Vor-Studie wurde ein internationaler Vergleich (Schweiz, Niederlande, USA) durchgeführt. Ziel der Delphi-Befragung war es, konsentierte Weiterentwicklungsvorschläge für den ambulanten und akutstationären Versorgungsbereich in Deutschland abzuleiten.

Methode / Method

Der Beitrag basiert auf einer zweistufigen Delphi-Expertenbefragung mit Konsensziel. Dabei wurden die Erkenntnisse des internationalen Vergleichs in Thesen überführt. Die Teilnehmer der schriftlichen Befragung entstammten unterschiedlichsten Akteursgruppen (z.B. Kostenträger, Leistungserbringer, Wissenschaft, Patientenvertretung). Zur Beurteilung des Konsenses wurden zwei Kriterien herangezogen: Erstens wurde der Anteil der Zustimmung/Ablehnung einer These als primäres Abbruchkriterium berücksichtigt. Als sekundäres Kriterium wurde die Stabilität der Gruppenmeinung zwischen den beiden Befragungsrunde überprüft. Hierzu wurde der Wilcoxon-Test verwendet. Darüber hinaus wurden Subgruppenanalysen durchgeführt.

Ergebnisse / Results

Insgesamt konnten zwischen den teilgenommenen Experten (n=105) 69% der aufgestellten Thesen konsentiert werden. Die Experten sahen in der Weiterentwicklung eines Qualitätswettbewerbs sowohl in der ambulanten als auch der akutstationären Versorgung Potenziale für eine Qualitätssteigerung, sofern adäquate Rahmenbedingungen existieren. Die Qualitätsmessung und das Public Reporting wurden als konditional angesehen. Zur Fragestellung, ob die Instrumente nach einem Top-Down- oder einem Bottom-Up-Prinzip weiterzuentwickeln sind, herrschte größtenteils Uneinigkeit. Zum Design der ordnungspolitischen Rahmenbedingungen zeigte sich hingegen ein klares Votum, dass die Weiterentwicklung zwischen den Stakeholdern abgestimmt, schrittweise und wissenschaftlich begleitet erfolgen muss. Zudem soll der Impuls durch eine gesetzgeberisch eingeleitete Reform unterstützt sein.

Zusammenfassung / Conclusion

Die Studie zeigt, dass zwischen den Akteuren im deutschen Gesundheitswesen in vielen Aspekten Konsens zu einer Weiterentwicklung des Qualitätswettbewerbs besteht. Gleichzeitig existieren aber gerade in stärker umsetzungsorientierten Fragestellungen auch nicht konsentierte, stärker akteursgetriebene Interessen.


AutorInnen
Daniel Negele, Universität Bayreuth
Eine Systematische Übersichtsarbeit: Faktoren der Wahl einer zahnmedizinischen Behandlung aus Patientensicht – Hat sich das Verhalten mit der Covid-19-Pandemie verändert?
Susanne Felgner, Technische Universität Berlin

Einleitung / Introduction

Zahngesundheit hat einen Einfluss auf die allgemeine Gesundheit sowie Lebensqualität. Patienten sehen sich in der Zahnmedizin jedoch oftmals hohen Eigenbeteiligungen gegenübergestellt. Die Wahl einer zahnmedizinischen Behandlung kann durch viele Faktoren bedingt sein: Individuelle Präferenzen (z.B. Farbe einer Zahnfüllung), eigene finanzielle Mittel und äußere Umstände (z.B. Covid-19-Pandemie). Ziel der Studie ist die Identifikation von Faktoren, die Patienten bei ihrer Wahl für oder gegen eine Behandlung beim Zahnarzt beeinflussen.

Methode / Method

Es wurde eine systematische Literaturrecherche in drei biomedizinischen Datenbanken durchgeführt. Aus relevanten Publikationen wurden Faktoren der Wahl sowie weitere Daten (z.B. Behandlungsart) extrahiert. Die Analyse erfolgte nach einem qualitativen Ansatz und die Qualitätsbewertung mittels MMAT (Mixed Methods Appraisal Tool). Die Umsetzung der Studie wurde gemäß PRISMA sowie SWiM (Synthesis Without Meta-analysis) Statement realisiert.

Ergebnisse / Results

Nach mehrstufiger Sichtung von n=4.229 potenziell relevanten Treffern durch zwei Reviewer gingen n=244 relevante Publikationen unterschiedlicher Studientypen [qualitativ (n=41), quantitativ (n=192), mixed-methods (n=11)] in die Analyse ein. Probanden wurden in verschiedenen Einrichtungen [z.B. Arztpraxen (n=17), Kliniken (n=91)], über verschiedene Ansätze (z.B. Telefoninterview, n=17), in n=51 Ländern (Deutschland: n=9 Studien), befragt. Eingeschlossene Artikel fokussierten auf konkrete Behandlungen (z.B. Kariesversorgung) oder Behandlungen allgemein (z.B. Dentaltourismus). Das Ergebnis der Studien ist ein breites Spektrum an Faktoren der Wahl, die sich im Ländervergleich wiederholen. Identifizierte Faktoren (n=103) können in drei Kategorien unterschieden werden: Charakteristika den (I) „Zahnarzt und die medizinische Einrichtung“ (z.B. Kommunikation, Vertrauen), den (II) „Patienten“ (z.B. Angst, Selbstbewusstsein) und die (III) „Behandlungsmethode“ (z.B. Dauerhaftigkeit, Kosten) betreffend. Kosten und Angst werden am häufigsten in Artikeln (n=130 bzw. n=72) als Determinanten der Nicht-Wahl genannt. Nur eine Publikation thematisierte die Covid-19-Pandemie. In dieser wird beschrieben, dass Behandlungstermine aufgrund von Angst vor einer Infektion mit SARS-CoV2 durch Patienten abgesagt werden. Die Studienqualität nach MMAT ist sehr variabel.

Zusammenfassung / Conclusion

Eine Vielzahl an Faktoren beeinflusst Patienten bei der Wahl einer zahnmedizinischen Behandlung. Dentalangst und hohe Eigenbeteiligungen sind häufig ein Grund dagegen. Die Angst vor einer SARS-CoV2-Infektion kommt als ein neuer Faktor hinzu. Bisher gibt es wenige Untersuchungen zu den Effekten der Covid-19-Pandemie. Regulative Maßnahmen und Informationsarbeit sollten im Interesse der Patienten angepasst werden, um Zugangsbarrieren zur Versorgung abzubauen.


AutorInnen
Susanne Felgner, Technische Universität Berlin
Johannes Handrock, Technische Universität Berlin
Carmen Cecilia Schroll, Technische Universität Berlin
Fabian Schütte, Technische Universität Berlin
Cornelia Henschke, Technische Universität Berlin