Vortragssitzung

Themen der Digitalisierung

Vorträge

Probleme und Barrieren beim Einsatz und der Nutzung von DiGA
Godwin Denk Giebel

Einleitung / Introduction

Seit September 2020 gehören digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) zum Leistungskatalog der GKV und sind fixer Bestandteil des deutschen Gesundheitswesens. Aktuell unterliegen DiGA nur einer initialen Qualitätsbewertung während ihres Zulassungsprozesses. Im Rahmen des vom Innovationsfonds gefördertem Projekts QuaSiApps, soll ein Konzept zur kontinuierlichen Qualitätssicherung von DiGA entwickelt werden. Eine der Voraussetzungen zur Konzeptentwicklung liegt darin, bestehende Probleme zu kennen, um diese berücksichtigen zu können. Deshalb soll dieser Scoping Review einen Überblick über existierende Probleme und Barrieren, im Zusammenhang mit der Nutzung von DiGA, geben.

Methode / Method

Der Scoping Review stützt sich auf methodische Rahmenvorgaben. Die systematische Recherche fand in den Datenbanken MEDLINE, Embase und PsycINFO statt. Einschlusskriterien waren: Publikationen, die den Einsatz von DiGA-ähnlichen Gesundheits-Apps untersuchten, Probleme und Hürden bei der Nutzung thematisieren, veröffentlicht zwischen dem 1. Januar 2015 und dem 8. Juni 2021. Die Studienselektion fand durch zwei unabhängige Reviewer statt. Ergänzend wurde eine strukturierte Internetrecherche auf Seiten relevanter internationaler Organisationen, durchgeführt. Die Rechercheergebnisse wurden entsprechend der PRISMA Erweiterung für Scoping Reviews dargestellt (Tricco et al. 2018). Die Auswertung der eingeschlossenen Publikationen und die Kategorisierung der Probleme und Hürden erfolgte mit MAXQDA.

Ergebnisse / Results

Insgesamt wurden im Rahmen der Recherche 1479 Publikationen identifiziert, wovon 24 die Einschlusskriterien erfüllten. Gefundene Probleme und Barrieren wurden analysiert und in 11 Kategorien (Validität, Nutzerfreundlichkeit, Technik, Nutzung & Adhärenz, Datensicherheit und Datenschutz, Arzt bzw. Therapeuten-Patienten-Beziehung, Wissen & Fähigkeiten, Individualität, Implementierung, Kosten und Sonstige) klassifiziert. Die am häufigsten genannten Kategorien waren Nutzung & Adhärenz (z.B.: Einbindung der App in den Alltag oder Nutzungsabbrüche) (n=16) sowie Benutzerfreundlichkeit (z.B.: Einfachheit der Benutzung, Design) (n=15). Probleme in Verbindung mit Kosten wurden siebenmal genannt.

Zusammenfassung / Conclusion

DiGA können einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung leisten. Da sich aber die Problembereiche von denen, bestehender Versorgungsformen unterscheiden, müssen diese frühzeitig identifiziert und adressiert werden. Für die Gewährleistung der Versorgungsqualität ist es zentral zu prüfen, welche Qualitätssicherungsmaßnahmen diese Probleme adressieren können. Mit der systematischen Erfassung der Evidenzlage schafft dieser Scoping Review hierzu eine wichtige Grundlage.


AutorInnen
Godwin Giebel
Christian Speckemeier
Carina Abels
Kirstin Börchers
Jürgen Wasem
Nikola Blase
Silke Neusser
Einstellungen, Erwartungen und Nutzung digitaler Medizin aus Sicht deutscher Dermatologen im Verlauf der SARS-CoV2 Pandemie: Trendanalyse 2019 versus 2021
patrick Reinders, UKE, IVDP

Einleitung / Introduction

Die veränderten (standes-)rechtlichen Rahmenbedingung hatten zum Ziel die Digitalisierung im Gesundheitswesen weiter voranzutreiben. Mit dem Auftreten der SARS-CoV-2-Pandemie und der damit verbundenen Maßnahmen ist der Einsatz digitaler Verfahren, wie die Videosprechstun-de, im gesamten Gesundheitswesen deutlich angestiegen. Für die Dermatologie sind die Auswir-kungen der Pandemie und der neuen Rahmenbedingungen auf den Einsatz solcher Verfahren je-doch noch unklar. Ziel dieser Studie war es daher die Einstellungen, Erwartungen und Nutzung digitaler Medizin aus Sicht deutscher Dermatologen zu untersuchen.

Methode / Method

Eine standardisierte Befragung in dermatologischen Praxen und Kliniken in 2019 (t1) und 2021 (t2) wurde mit deskriptiven und multivariaten Analysemethoden ausgewertet. Zu t1 bestand der Fragebogen aus 23 Items zu den Kenntnissen, den Einstellungen und der Nutzung von digitalen Verfahren. Zu t2 wurde der Fragebogen um 5 Items erweitert, z.B. um Items zur Auswirkung der SARS-CoV-2-Pandemie. Insgesamt wurden zu beiden Zeitpunkten jeweils ca. 3.500 Dermatolo-gen angeschrieben.

Ergebnisse / Results

Zu t1 nahmen 586 (47,6% weiblich, Durchschnittsalter 52,4 Jahre) und zu t2 791 (48,8% weiblich, Durchschnittsalter 54,3 Jahre) Personen teil. Das Interesse an digitaler Medizin war zu t1 höher als zu t2 (65,1% vs. 57,8%). Trotzdem setzten seit Pandemiebeginn 38,6% der Befragten vermehrt digitale Verfahren ein, zum Beispiel die Echtzeitkommunikation mit Patienten (t1: 2,1% vs. t2: 7,6%) sowie mit anderen Fachärzten (t1: 5,7% vs. t2: 22,8%). Der elektronische Arztbrief wird als einziges Verfahren seltener zu t2 eingesetzt (t1: 20,8% vs. t2: 13,3%). Ein hoher Anteil äußerte aber auch größere Bedenken gegenüber der digitalen Medizin (t1: 34,3% vs. t2: 37,5%), unter 50-Jährige (OR = 0,5; 95 %-KI [0,4; 0,8]) und Dermatologen aus städtischen Gebieten (OR = 0,5; 95 %-KI [0,4; 0,8]) allerdings seltener.

Zusammenfassung / Conclusion

Der Einsatz von digitaler Medizin hat im Verlaufe der SARS-CoV-2-Pandemie in der Dermatolo-gie nur mäßig zugenommen. Bei den Dermatologen besteht jedoch weiterhin ein hohes Interesse und positive Erwartungen zum Einsatz digitaler Verfahren. Neben den verbesserten Rahmenbe-dingungen und dem Ausbau der benötigten Infrastruktur, sind die sachgerechte Vermittlung an und die Einbindung aller Dermatologen zum flächendeckenden Einsatz dieser Verfahren essenzi-ell.


AutorInnen
Matthias Augustin, UKE, IVDP
Patrick Reinders, UKE, IVDP
Toni Maria Klein, UKE, IVDP
Klaus Strömer, Gemeinschaftspraxis für Dermatologie und Allergologie, Mönchengladbach, Deutschland
Ralph von Kiedrowski, Dermatologische Spezialpraxis, Selters, Deutschland
Natalia Kirsten, UKE, IVDP
Alexander Zink, Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein, Fakultät für Medizin, Technische Universität München
Marina Otten, UKE, IVDP
Die Akzeptanz digitaler Gesundheitsanwendungen in aktivierenden Therapien - Ergebnisse einer Online-Befragung
Silke Frey, Hochschule Stralsund

Einleitung / Introduction

Auch über ein Jahr nach dem Start der Verordnung von digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) in der Regelversorgung spielen diese im Versorgungsalltag eine untergeordnete Rolle. Die Bereitschaft in der Bevölkerung zur Nutzung DiGA-ähnlicher Angebote ist durchaus vorhanden, wie sich an Zahlen des zweiten Gesundheitsmarktes oder den zahlreichen Selektivverträgen erkennen lässt. Demnach scheint eine geringe Akzeptanz bei den Leistungserbringern vorzuliegen. Neben den Ärztinnen und Ärzten, die DiGA ihren Patientinnen und Patienten verordnen, sind ebenso die Heilmittelerbringer eine relevante Stakeholdergruppe, da ihre Tätigkeit durch die Apps unterstützt, ergänzt und teilersetzt wird. Dieser Beitrag beschäftigt sich daher mit der Analyse der Akzeptanz von digitalen Gesundheitsanwendungen in aktivierenden Therapien.

Methode / Method

Im Rahmen einer standardisierten Online-Befragung wurden 242 Therapeutinnen und Therapeuten in den Berufsgruppen Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie zu ihren Einstellungen und Erwartungen zur Nutzung von DiGA befragt. Die zehnwöchige Umfrage erfolgte zwischen März und Mai 2021. Der Fragebogen erfasste den Kenntnisstand, das Nutzungsverhalten, das Meinungsbild zu Chancen und Risiken, die Technikakzeptanz und die Technikbereitschaft. Da zum Befragungszeitpunkt davon auszugehen war, dass den meisten Personen DiGA noch nicht bekannt sind, wurde zu Beginn der Befragung exemplarisch ein professionsspezifischer Flyer einer fiktiven DiGA angezeigt.

Ergebnisse / Results

Etwa 40 % der Therapeutinnen und Therapeuten kannten DiGA, während rund 60 % noch nicht von diesen Angeboten gehört hatten. Darüber hinaus können sich 87 % der Befragten vorstellen, DiGA in die Behandlung zu integrieren, oder hatten zum Zeitpunkt der Befragung bereits mit DiGA gearbeitet. Potenziale in der Nutzung von DiGA werden besonders in der Qualitätsverbesserung der Therapie, der Verbesserung der Nachhaltigkeit der Therapie und der Förderung der Gesundheitskompetenz der Patientinnen und Patienten gesehen. Herausforderungen sehen die Therapeutinnen und Therapeuten in der mangelnden technischen Ausstattung der Einrichtungen sowie in den unzureichenden technischen Kompetenzen der Patientinnen und Patienten.

Zusammenfassung / Conclusion

Die Ergebnisse der Befragung von Beschäftigten in aktivierenden Therapien zeigen, dass DiGA noch kaum eine Rolle im Versorgungsalltag spielen. Obwohl über die Hälfte der Befragten diese Angebote nicht kannten, ist die Bereitschaft DiGA in die Therapie zu integrieren sehr groß. Demnach sehen befragte Personen eher Potenziale als Herausforderungen in der Nutzung von DiGA. Durch die Befragung konnten förderliche und hinderliche Faktoren bezüglich der Implementierung von DiGA in aktivierenden Therapien identifiziert und daraus Handlungsempfehlungen für relevante Akteure abgeleitet werden.


AutorInnen
Silke Frey
Linda Kerkemeyer, inav - privates Institut für angewandte Versorgungsforschung GmbH
Welche Rolle spielen ausgewählte Qualitätsdimensionen für die DiGA-Nutzung und welche Probleme bestehen aktuell bei der DiGA-Versorgung? Eine qualitative Analyse anhand von Fokusgruppen und Einzelinterviews
Nikola Dr. Blase, Lehrstuhl für Medizinmanagement der Universtität Duisburg-Essen

Einleitung / Introduction

Seit Ende 2020 sind die ersten digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) in das DiGA-Verzeichnis nach § 139e SGB V aufgenommen und damit kollektivvertraglich in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erstattungsfähig. Voraussetzung dafür ist unter anderem das erfolgreiche Durchlaufen des Fast Track Verfahrens des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, so dass bei der Zulassung umfas-sende (Qualitäts-) Anforderungen an die DiGA definiert sind. Die aktuellen Verordnungszahlen spiegeln jedoch einen zögerlichen Einsatz der DiGA in der Versorgung wider. Die im Rahmen des vom Innovati-onsausschuss geförderten Forschungsprojektes „Fortlaufende Qualitätssicherung von in der GKV-Regelversorgung eingesetzten Gesundheits-Apps (QuaSiApps)“ durchgeführten Fokusgruppen und Interviews explorieren neben Problemen bei der DiGA-Versorgung die Relevanz ausgewählter Qualitätsdimensionen für die DiGA-Nutzung.

Methode / Method

Es wurden insgesamt 5 Fokusgruppen und 5 Einzelinterviews mit Patient:innen (DiGA- sowie Nicht-DiGA-Nutzer:innen) durchgeführt, für deren Indikation eine DiGA zum Zeitpunkt der Untersuchung zugelassen war. Ein halbstrukturierter Gesprächsleitfaden diente dem Moderator:innenteam als Basis der Face-to-Face sowie virtuell durchgeführten Gespräche. Thematisch wurden hierbei Aspekte aufgegriffen, die im Vorfeld durch Scoping Reviews ausgemacht werden konnten. Die Gespräche wurden aufgezeichnet und transkribiert. Die qualitative Inhaltsanalyse in Anlehnung an Mayring fand unter Verwendung des Programms MAXQDA statt.

Ergebnisse / Results

Auch wenn von den Patient:innen im Einsatz von DiGA ein großes Potential für die medizinische Versor-gung gesehen wird, lassen sich indikationsübergreifend Probleme bei der Versorgung mit DiGA erken-nen. Hierbei sind insbesondere datenschutzrechtliche Bedenken anzuführen, ebenso bestand bei den Patient:innen die Wahrnehmung einer noch nicht durchgängig vorhandenen Kenntnis über DiGA sowie ihrer Inhalte bei den Leistungserbringer:innen. Hohe Relevanz hinsichtlich der Nutzung kamen den Qua-litätsdimensionen Nutzerfreundlichkeit und Individualisierung der DiGA zu. Eine Verschlechterung der Beziehung zwischen Leistungserbringer:in und Patient:in durch den Einsatz einer DiGA wurde negiert, mehrheitlich wurde sogar ein gegenteiliges Phänomen beschrieben.

Zusammenfassung / Conclusion

Die medizinische Versorgung mit DiGA ist ein junger Leistungsbereich, für den durch das Fast Track Ver-fahren eine Qualitätssicherung bei der Zulassung besteht. Das Projekt zielt auf eine fortlaufende Quali-tätssicherung ab, für die Konzepte zunächst entwickelt und etabliert werden müssen. In diesem Kontext bieten die Fokusgruppen und Interviews wertvolle Hinweise für relevante Qualitätsdimensionen aus Sicht der Patient:innen.


AutorInnen
Nikola Dr. Blase, Lehrstuhl für Medizinmanagement der Universtität Duisburg-Essen
Carina Dr. Abels, Lehrstuhl für Medizinmanagement der Universtität Duisburg-Essen
Silke Dr. Neusser, Lehrstuhl für Medizinmanagement der Universtität Duisburg-Essen
Godwin Giebel, Lehrstuhl für Medizinmanagement der Universtität Duisburg-Essen
Kristin Prof. Dr. Börchers, QM BÖRCHERS CONSULTING +
Felix Plescher, Lehrstuhl für Medizinmanagement der Universtität Duisburg-Essen
Jürgen Prof. Dr. Wasem, Lehrstuhl für Medizinmanagement der Universität Duisburg-Essen