Vortragssitzung

Pflege und Pflegeversicherung

Vorträge

Können Virtual Reality-Anwendungen gegen soziale Isolation und wahrgenommene Einsamkeit in Pflegeheimen eingesetzt werden? – Eine Mixed-Methods-Studie zu digitalen Transformationsoptionen für Bewohner und Mitarbeitende
Lena Schinner, Lehrstuhl für Medizinmanagement und Versorgungsforschung – Universität Bayreuth (in Kooperation mit der Orpea Deutschland GmbH)

Einleitung / Introduction

Die SARS-CoV-2 (severe acute respiratory syndrome coronavirus 2)-Pandemie führte weltweit zu kontakteinschränkenden Maßnahmen, deren Effekte z.T. durch die Nutzung digitaler Ansätze kompensiert werden konnten. Insbesondere stationäre Pflegeheime mussten zur Sicherheit ihrer besonders vulnerablen Bewohner massive Einschränkungen durchsetzen. Das Ziel dieser Studie lag darin, ein erweitertes Virtual Reality (eVR)-Konzept gegen soziale Isolation und Einsamkeit von Bewohnern in Pflegeheimen zu entwickeln und untersuchen. Dabei war eine aktive Einbindung der Angehörigen vorgesehen. Neben der Einstellung von Bewohnern und Mitarbeitenden zum eVR-Konzept wurden in der Studie die technischen Voraussetzungen in den Pflegeheimen evaluiert.

Methode / Method

Die Mixed-Methods-Studie bestand aus einer 4-wöchig angelegten qualitativen Vorstudie mit Fokusgruppen und Experteninterviews zu allgemeinen Virtual Reality (VR-Anwendungen) sowie zum eVR-Konzept in zwei deutschen Pflegeheimen. 15 Bewohner und 8 Mitarbeitende konnten präpandemisch 2019 eingebunden werden. Es folgte 2020, während der Pandemie, eine breite Onlineumfrage zur Technikaffinität, Einstellung zum eVR-Konzept sowie den technischen Voraussetzungen in den Pflegeheimen unter Mitarbeitenden aus 138 Einrichtungen in Deutschland.

Ergebnisse / Results

Die Auswertung der qualitativen Vorstudie ergibt z.T. positive Reaktionen der Bewohner auf VR-Anwendungen. Auch die Mitarbeitenden der Fokusgruppen zeigten eine positive Einstellung mit Blick auf den potenziellen Einsatz der VR-Anwendungen. Unter den 114 auswertbaren Fragebögen der Onlineumfrage waren die Dimensionen zur ,,Technikaffinität‘‘ und vier der Dimensionen zur Einstellung zum eVR-Konzept signifikant durch hohe Technikaffinität bzw. positive Einstellung gegenüber dem eVR-Konzept gekennzeichnet. Lediglich die Dimension ,,einrichtungsspezifische Ausstattung‘‘ ergibt eine hochsignifikante negative Abweichung, da es an Infrastruktur (z.B. WLAN) mangelt. 22% der Befragten schätzen die Umsetzung des eVR-Konzepts als machbar ein, 32 % geben an, dass WLAN für Bewohner zugänglich ist.

Zusammenfassung / Conclusion

Die Studienergebnisse legen nahe, dass eVR-Ansätze, grundsätzlich eine wirksame und umsetzbare Erweiterungsoption für Maßnahmen gegen Einsamkeit und soziale Isolation in Pflegeheimen darstellen. Obgleich Mitarbeitende eine Nutzungs- und Lernbereitschaft aufzeigen, fehlt es beim Großteil der Einrichtungen noch an der technischen Infrastruktur zur Umsetzung digitaler Ansätze. Zusätzlich sind Weiterbildungsprogramme für Mitarbeitende erforderlich. Die SARS-CoV-2-Pandemie führte zu einer ersten Sensibilisierung für Machbarkeitsstudien. Um die notwendigen digitalen Transformationsprozesse in Pflegeheimen, nach evidenzbasierter Wirksamkeit, priorisiert zu beschleunigen, sind weitere Untersuchungen erforderlich.


AutorInnen
Lena Schinner, Lehrstuhl für Medizinmanagement und Versorgungsforschung – Universität Bayreuth (in Kooperation mit der Orpea Deutschland GmbH)
Klaus Nagels, Lehrstuhl für Medizinmanagement und Versorgungsforschung – Universität Bayreuth
Beitragssatzentwicklung in der Sozialen Pflegeversicherung – Effekte einer degressiven Leistungsdynamisierung
Lewe Christoph Bahnsen, Wissenschaftliches Institut der PKV (WIP)

Einleitung / Introduction

Auf die Beitragssatzentwicklung in der Sozialen Pflegeversicherung (SPV) wirken sich neben der demografischen Alterung auch die Leistungsausweitungen der jüngeren Vergangenheit und der Druck zu einer verbesserten Entlohnung der Pflegekräfte im Zuge des Fachkräftemangels aus. Vorausberechnungen zeigen, dass in (naher) Zukunft mit einem stark steigenden Beitragssatz gerechnet werden muss. Ziel der Politik sollte es jedoch sein einen Übergang zu einem stabilen Beitragssatz und damit zu nachhaltigen SPV-Finanzen zu schaffen. Ein mögliches Instrument für diesen Übergang könnte eine degressive Dynamisierung der SPV-Leistungen sein.

Methode / Method

Um zu verdeutlichen, welche Auswirkungen die Demografie und Leistungsausweitungen auf die Finanzierung der SPV haben könnten, wird ein Beitragssatzsimulationsmodell verwendet. Dieses basiert auf Annahmen zur zukünftigen Versicherten-, Beitrags- und Ausgabenentwicklung. Innerhalb dieses Modells werden unterschiedliche Szenarien berechnet, um die Bandbreite möglicher Entwicklungspfade bei Fortsetzung des gegenwärtigen Status quo und bei degressiver Dynamisierung der SPV-Leistungen zu illustrieren.

Ergebnisse / Results

Im Zuge einer jahrgangsspezifischen degressiven Dynamisierung der SPV-Leistungen würden sich die Leistungsansprüche gegenüber der SPV von Jahrgang zu Jahrgang reduzieren und damit auch die implizite Verschuldung. Das Resultat wäre ein stabiler und damit nachhaltiger Beitragssatz. Die letztendliche Ausgestaltung der degressiven Dynamisierung obliegt dabei den politischen Entscheidungsträgern.

Zusammenfassung / Conclusion

Das Ziel eines stabilen SPV-Beitragssatzes ließe sich mittels degressiver Dynamisierung erreichen. Gleichzeitig kann der Ansatz damit das Interesse der jüngeren Generationen an einer nicht Überhand nehmenden Beitragsbelastung und das Interesse der älteren Generationen einer ausreichenden Unterstützung durch die Pflegeversicherung in Einklang bringen. Im Ergebnis trüge die SPV so zum Ziel bei, das 40%-Ziel bei den Sozialabgaben nicht in weite Ferne rücken zu lassen.


AutorInnen
Lewe Christoph Bahnsen, Wissenschaftliches Institut der PKV (WIP)
Frank Wild, Wissenschaftliches Institut der PKV (WIP)
Analyse des Bedarfs für palliativmedizinische Tageskliniken und Tageshospize: Ein Discrete Choice Experiment im Rahmen des Projekts ABPATITE
Lea de Jong, Center for Health Economics Research Hannover (CHERH)

Einleitung / Introduction

Viele PatientInnen mit einer unheilbaren Erkrankung wünschen sich, so lange wie möglich in ihrer vertrauten Umgebung zu verbleiben und versorgt zu werden. Dabei können professionelle ambulante Dienste unterstützen bzw. außerhäusliche Versorgungsangebote in Anspruch genommen werden. In den letzten Jahren ergänzen immer häufiger palliativmedizinische Tageskliniken und Tageshospize die Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland. Wie diese teilstationären Angebote gestaltet werden müssten, um die Bedarfe der PatientInnen und Angehörigen noch besser zu decken, ist bisher nicht bekannt. Das Ziel dieser Studie ist die Erhebung von PatientInnen- und Angehörigenpräferenzen bezüglich möglicher Versorgungsangebote der ambulanten und teilstationären hospizlich-palliativen Versorgung als Teil des Projekts ABPATITE (G-BA Förderkennzeichen 01VSF19034).

Methode / Method

Die Grundlage der Analyse bildet eine Befragung mittels eines Discrete Choice Experiments (DCE). Befragt werden aktuell oder in den letzten sechs Monaten stationär behandelte unheilbar erkrankte PatientInnen und/oder ihre Angehörigen. Aufbauend auf einer Literaturrecherche und ExpertInnendiskussionen, wurden sieben Attribute mit jeweils zwei, drei oder sechs Ausprägungen definiert: Ort der Versorgung, Versorgungs- und Unterstützungszeit (tagsüber), besondere ärztliche Versorgung, begleitete Aktivitäten, entlastende Patientenberatung, optionale Nachtversorgung und finanzielle Eigenleitung. Mit der Software SAS wurde ein reduziertes Erhebungsdesign entwickelt. Das D-optimale Design mit insgesamt 36 Entscheidungssets ermöglicht die unabhängige Schätzung aller Haupteffekte. Um eine Überforderung der Teilnehmenden zu vermeiden, wurden sechs Fragebogenversionen mit je sechs Entscheidungssets eingesetzt. Die multivariaten Analysen des DCE erfolgen mittels ökonometrischer Verfahren (conditional logit, mixed logit und latent class model).

Ergebnisse / Results

Bis heute konnten n = 127 Teilnehmende (90 PatientInnen und 37 Angehörigen) befragt werden (80% persönlich, 20% telefonisch). Knapp 49% der Teilnehmenden sind weiblich. Das Durchschnittsalter der Befragten beträgt 69,9 Jahre. 60% der Teilnehmenden waren bereit, für die unterschiedlichen Versorgungspakete im Durchschnitt eine finanzielle Eigenleistung in Höhe von 338€ pro Monat zu zahlen.

Zusammenfassung / Conclusion

Eine Analyse der Präferenzen liefert Erkenntnisse für eine bedarfsgerechte Weiterentwicklung der ambulanten und teilstationären Palliativ- und Hospizversorgung. Mit Hilfe der Regressionsanalysen können Subgruppen identifiziert und verglichen werden. Bis voraussichtlich Ende März 2022 werden zusätzliche Teilnehmende in die Stichprobe eingeschlossen.


AutorInnen
Lea de Jong, Center for Health Economics Research Hannover (CHERH)
Kathrin Damm, Center for Health Economics Research Hannover (CHERH)
Hanna A.A. Röwer, Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Allgemeinmedizin und Palliativmedizin, Hannover
Franziska Herbst, Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Allgemeinmedizin und Palliativmedizin, Hannover
Carolin Huperz, Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Allgemeinmedizin und Palliativmedizin, Hannover
Nils Schneider, Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Allgemeinmedizin und Palliativmedizin, Hannover
Stephanie Stiel, Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Allgemeinmedizin und Palliativmedizin, Hannover
Beate Apolinarski, Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Allgemeinmedizin und Palliativmedizin, Hannover