Organisierte Sitzung

Implementierung von Gesundheits- und Pflegeinnovationen

Konträr zu den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten und den prognostizierten Vorteilen von digitalen Gesundheits- und Pflegeinnovationen, wie z. B. AAL-, E-Health- und Telenursing-Technologien, sind diese, abgesehen von einigen auf dem Markt erhältlichen Einzelanwendungen sowie Prototypen in Pilot- und Forschungsprojekten, wenig verbreitet. Gründe hierfür sind vielfältig und können beispielsweise das Fehlen von - geeigneten sowie nachhaltigen Geschäftsmodellen - Wissen über den Nutzen und die Kosten der Produkte und - Weiterbildungsmöglichkeiten bzgl. des Erwerbs von Technikkompetenzen sein. Diese Faktoren, die auf die Implementierung von Gesundheits- und Pflegeinnovationen wirken und die für eine erfolgreiche Implementierung nötig sind, werden in der Sitzung diskutiert. Vier Vorträge, die Geschäftsmodelle von AAL- sowie E-Health-Technologien, die Kosten sowie Nutzen von AAL-Technologien und den Erwerb von Technikkompetenzen für Pflegeberufe fokussieren, bieten Impulse für die Diskussion.

Vorträge

Genossenschaftliche Geschäftsmodelle für eine datengestützte Gesundheitsversorgung
Henrike Langer, Ruhr-Universität Bochum
Romy Lauer, Ruhr-Universität Bochum
Sebastian Merkel, Ruhr-Universität Bochum
Jennifer Bosompem, Ruhr-Universität Bochum
Peter Naeve, Ruhr-Universität Bochum
Horst Christian Vollmar, Ruhr-Universität Bochum
Ben Herten, contec - Gesellschaft für Organisationsentwicklung mbH
Anja Burmann, Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik ISST
Ina Otte, Ruhr-Universität Bochum

Einleitung

Einleitung Im Zuge der Digitalisierung werden auch im Gesundheitsbereich zunehmend große Mengen an Daten erhoben und gespeichert. Diese stammen nicht mehr ausschließlich aus Arztpraxen, Krankenhäusern oder wissenschaftlichen Studien, sondern werden auch von Bürger:innen selbst über Smartphone Apps, Wearables und andere, haushaltsnahe Sensoren generiert. Die Potenziale von Big Data im Gesundheitsbereich werden sowohl für die wissenschaftliche Forschung als auch für die Gestaltung der öffentlichen Gesundheitspolitik als vielversprechend eingestuft. Gleichzeitig sind Gesundheitsdaten als sensibel anzusehen und unterliegen einem besonderen Schutz. Datengenossenschaften können eine Möglichkeit darstellen, gesundheitsrelevante Daten und Informationen für Akteure aus Forschung und Gesundheitsversorgung zugänglich zu machen und Bürger:innen weiterhin die Souveränität über die eigenen Daten zu überlassen. Methoden Im Rahmen des Projektes Coop4Health soll eine solche Bürgergenossenschaft gegründet werden. In Vorbereitung zur Erstellung des Geschäftsmodells wurde ein Scoping Review zu (Daten-)Genossenschaften im Gesundheitsbereich durchgeführt. Die Suche wurde in neun Datenbanken mithilfe von vier Suchbegriff-Kombinationen aus den Bereichen der Sozial- und Gesundheitsversorgung und (Daten-)Genossenschaften durchgeführt. Ergebnisse In der Literatursuche konnten 7.596 Artikel identifiziert werden, von denen nach Ausschluss der Duplikate noch 4.022 in das Title-/Abstract-Screening eingeflossen sind. Nach der Durchführung des Volltext-Screenings von 329 Artikeln konnten 23 Veröffentlichungen in die Auswertung miteinbezogen werden. Bei der Auswertung waren die Strukturen, Tätigkeitsfelder und Erfolgsfaktoren der Genossenschaften von besonderem Interesse. Die Ergebnisse zeigen, dass Genossenschaften eine lange Tradition im Gesundheitsbereich haben und die Zielsetzung verfolgen, Bürger:innen in zahlreichen Kontexten erfolgreich zu ermächtigen sowie Gesundheitsfachkräfte und andere Expert:innen miteinander zu vernetzen. Es konnten neben Arbeitnehmer:innen-, Konsument:innen-, Ärzt:innen- und Forschungsgenossenschaften auch Datengenossenschaften in der Literatur gefunden werden. Auffällig ist jedoch die niedrige Zahl an nachhaltig existierenden Unternehmen in diesem Bereich. Fazit Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass es eine heterogene Landschaft genossenschaftlicher Geschäftsmodelle für die Verwaltung von Gesundheitsdaten gibt. Die tatsächliche Umsetzung von Datengenossenschaften scheint allerdings mit Hürden verbunden zu sein. Diese werden insbesondere in den Bereichen der Finanzierung, des langfristigen Engagements sowie technischen Aspekten, wie der Aufbereitung der Daten oder der Einhaltung der komplexen Datenschutzvorgaben, vermutet.

Die Verteilung von Effizienzgewinnen als elementarer Bestandteil von kollaborativen Geschäftsmodellen – Bewertung spieltheoretischer Lösungskonzepte zur Entwicklung eines Entscheidungsunterstützungssystems für Innovationsnetzwerke im AAL-Bereich
Jelena Bleja, Fachhochschule Dortmund, FB Wirtschaft/IDiAL

Einleitung

Einleitung Die Zukunftsfähigkeit von Produkten und Dienstleistungen hängt immer häufiger davon ab, mit welchen Partnern Unternehmen Kooperationen eingehen und wie stabil diese gestaltet sind. So bedarf es beispielsweise bei Produkten und Dienstleistungen im Bereich altersgerechter Assistenzsysteme (AAL), besonders umfangreicher Fachkenntnisse, die in einem einzelnen Unternehmen nicht oder nur eingeschränkt vorhanden sind. Immer öfter kommen daher Partner aus unterschiedlichen Bereichen zusammen, um gemeinsam AAL-Lösungen zu entwickeln und anzubieten. Neben einer Vielzahl von Vorteilen, die durch die Zusammenarbeit entstehen können, bringt diese auch Herausforderungen mit sich. Eine davon ist die Konzeption kollaborativer Geschäftsmodelle in deren Rahmen die ökonomischen Vorteile, die sich durch die Kollaboration ergeben, fair unter den Kooperationspartnern aufgeteilt werden können. Dadurch das gemeinsam erwirtschaftete Effizienzgewinne in der Regel nicht eindeutig verursachungsgerecht auf die einzelnen Kooperationspartner verteilt werden können, stellt sich die Aufteilung als ein nicht triviales Problem dar. Methoden Zur Bewertung spieltheoretischer Lösungsansätze, wie den Shapley-Wert, τ-Wert, χ-Wert, Kern und die ACA-Methode zur fairen Verteilung von Effizienzgewinnen wurde im ersten Schritt eine ausführliche Literaturrecherche zur Identifikation von theoretischen, konzeptionellen Anforderungen an ein Lösungskonzept durchgeführt. Mithilfe der Nutzwertanalyse erfolgte anschließend eine Bewertung der spieltheoretischen Verfahren zur Verteilung von Effizienzgewinnen in Kollaborationen. Aufgrund des erheblichen Maßes an Unkenntnis in Bezug auf die Bedingungen, die vorliegen müssen, damit ein entsprechendes Entscheidungsunterstützungssystem in der betrieblichen Praxis akzeptiert wird, wurde ergänzend eine qualitative Analyse von Anforderungen aus der Sicht möglicher, späterer Anwender aus dem AAL-Bereich durchgeführt, um Vorstellungen potenzieller Nutzer von einem für sie hilfreichen Entscheidungsunterstützungssystem mithilfe leitfadengestützter Experteninterviews zu erhalten. Ergebnisse Auf Basis der Anforderungsanalyse konnte ein Katalog von Modellanforderungen an spieltheoretische Ansätze zur Lösung des Verteilungsproblems und zusätzlichen Praktikabilitätsanforderungen an das zu entwickelnde Entscheidungsunterstützungssystem generiert werden. Die Ergebnisse der Nutzwertanalyse geben darüber hinaus einen Überblick, inwieweit die einzelnen spieltheoretischen Verfahren die identifizierten Anforderungen erfüllen.

Entwicklung, Erprobung und Evaluierung eines wissenschaftlichen Weiterbildungsangebots für Pflegefachpersonen
Stina-Katharina Treseler, Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften - Hochschule Braunschweig/ Wolfenbüttel, Fakultät Gesundheitswesen
André Heitmann-Möller, Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften - Hochschule Braunschweig/ Wolfenbüttel, Fakultät Gesundheitswesen
Sandra Tschupke, Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften - Hochschule Braunschweig/ Wolfenbüttel, Fakultät Gesundheitswesen
Martina Hasseler, Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften - Hochschule Braunschweig/ Wolfenbüttel, Fakultät Gesundheitswesen

Einleitung

Einleitung Der Diskurs um den Einzug von Digitalisierung in der Pflege ist geprägt durch die technischen Möglichkeiten wie Robotik, robotische Systeme, assistive Technologien, E-Health-Werkzeuge und telemedizinische Produkte. Für eine erfolgreiche Implementierung und einhergehende Veränderung ist es unabdingbar die Pflegefachpersonen einzubeziehen und Anlässe zum digitalen Kompetenzerwerb zu schaffen. Das Projekt „Telenursing – Nursing goes digital“, das aus Mitteln des Europäischen Sozialfond (ESF) und des Landes Niedersachsen gefördert wird, beschäftigt sich mit der Entwicklung, Erprobung und Evaluierung eines wissenschaftlichen Weiterbildungsangebots für Pflegefachpersonen mit dem Ziel die digitalen Kompetenzen auszubauen und Handlungskompetenzen in der beruflichen Praxis zu erlangen. Methode Zur Analyse, welche Wahrnehmung die Weiterbildungsteilnehmenden von ihrem eigenen Kompetenzzuwachs und ihrer daraus gewonnen Praxiswirksamkeit haben, wird im Anschluss an jedes einzelne der drei Module ein semistrukturiertes Fokusgruppeninterview durchgeführt. Grundlage zur Bestimmung bzw. Benennung der Kompetenzen bildet der Kompetenzrahmen des Zentrums für Qualität in der Pflege ZQP, welcher unter anderem die Kenntnisse zu ökonomischen Aspekten, zum Datenschutz und Recht umfasst. Ebenso wird in dem Fokusgruppeninterview der Effekt des Tandem Learnings eruiert, um es als didaktisches Modell in dem Kontext der Weiterbildung zu evaluieren. Parallel findet im Anschluss an jedes Modul eine Online-Befragung statt, welche sich inhaltlich auf die Rahmenbedingungen der Module richten wird. Ergebnisse Die Ergebnisse von Modul 1 „Clinical Assessment/Clinical Reasoning“ werden im Februar 2022 vorliegen. Die Auswertung des Fokusgruppeninterviews wird nach Kuckartz erfolgen und im Ergebnis Kompetenztypen der Teilnehmenden offenlegen und Typen von Praxiswirksamkeitserfahrungen, welche mit den Kompetenzbeschreibungen des ZQP vergleichen werden. Das Ergebnis der Online-Befragung umfasst einen Katalog von Anforderungen an die Rahmenbedingungen einer wissenschaftlichen Weiterbildung im Pflegebereich und wird so, wie die Erkenntnisse zum Tandem Learning, in der weiteren Konzeption berücksichtigt.

Nutzen und Kosten von intelligenten Rollatoren für ältere Menschen in der häuslichen Versorgung
Mareike Mähs, Institut für Gerontologie, Universität Vechta

Einleitung

Einleitung Intelligente Rollatoren haben das Potential, ältere Menschen bei alltäglichen Aktivitäten zu unterstützen und somit ihre Autonomie und gesellschaftliche Teilhabe zu verbessern. Die Nutzen und Kosten dieser Technologien sind jedoch bislang unklar. Aus diesem Grund wurde der Versuch unternommen, die Kosten und Nutzen von intelligenten Rollatoren auf Basis eines Fallbeispiels theoretisch-konzeptionell abzuschätzen und diese zu systematisieren. Methoden Um die Nutzen und Kosten von intelligenten Rollatoren abzuschätzen, wird der Untersuchungsgegenstand beschrieben, die einzunehmende Perspektive aufgezeigt und eine geeignete Alternative für eine vergleichende Betrachtung der Kosten und Nutzen bestimmt. Auf Basis von systematischen Literaturrecherchen, der Erstellung eines Wirkungsmodells und der Herausarbeitung sowie Systematisierung von Zielvariablen werden die Kosten und Nutzen für den im Fallbeispiel dargestellten intelligenten Rollator identifiziert. Ergebnisse Das Wirkungsmodell zeigt die Komplexität der Wirkungszusammenhänge zwischen dem intelligenten Rollator, seinen Funktionen und den Auswirkungen auf den Nutzer und die Gesellschaft. Es kann bislang kein direkter, tangibler Nutzen eines intelligenten Rollators, wohl aber ein indirekter, tangibler Nutzen bzgl. eingesparten Folgekosten von Stürzen angenommen werden. Als indirekte und direkte, intangible Nutzen legen die Ergebnisse eine verbesserte Gangqualität sowie Mobilität und Verbesserungen z. B. bei der Prävention von körperlichen, kognitiven und psychosozialen Beeinträchtigungen und der Selbstversorgung nahe. Als tangible Kosten zeigen sich mögliche Ausgaben der GKV und Zuzahlungen der Versicherten, z. B. für die Anschaffung, Installation und Wartung der Technologie. Ferner sind direkte und indirekte, intangible Kosten, wie z. B. der zeitliche Aufwand, der für das Erlernen des Umgangs der Technologie benötigt wird, anzunehmen. Da die Studienlage über die Nutzen und Kosten von intelligenten Rollatoren begrenzt und ambivalent ist, ist eine genaue Identifikation und Zuordnung der Kosten und Nutzen noch nicht abschließend möglich. Fazit Es wurde ein Wirkungsmodell erstellt und die möglichen Kosten und Nutzen, die mit dem Einsatz von intelligenten Rollatoren einhergehen können, aufgezeigt. Forschungsbedarfe bestehen a) hinsichtlich der Einnahme mehrerer Perspektiven und entsprechenden Konsensverfahren bei konträren Ergebnissen, b) bezüglich valider Erhebungsmethoden, die Wirkungen aufzeigen können, die auf den Einsatz derartiger Technologien zurückzuführen sind, und c) in Bezug auf Verfahren der Preisermittlung für neuartige Technologien, für die ggf. noch keine administrierten oder verhandelten Preise bestehen.