Organisierte Sitzung

Diskussion und Einblicke in neue Vergütungsmodelle und deren Einfluss auf die Gesundheitsversorgung

Organisierte Sitzung des DGGÖ-Ausschusses Versorgung und Vergütung. Vorträge und Forschungsbeiträge von Ausschussmitgliedern, moderiert vom Vorsitzenden, zum übergeordneten Jahresthema des Ausschusses "Vergütung - bedingt Strukturwandel". Die Beiträge geben Einblicke in aktuelle Forschungsfelder an der Schnittstelle zwischen Forschung und Politik und gehen unter anderem auf die entstehenden Anreizwirkungen und Effekte ein. Zunächst werden Einflussfaktoren diskutiert, die die bisherige Ambulantisierung im Krankenhaus beeinflusst haben und daher auch für zukünftige Entwicklungen relevant sein könnten. Anschließend wird ein Modellprojekt zur sektorengleichen Vergütung und Versorgung vorgestellt. Neben den finanziellen Anreizen und Effekten auf die Leistungserbringer stehen die Auswirkungen auf die Patientenversorgung im Vordergrund. Ein innovativer Vergütungsansatz, der bisher in Deutschland noch nicht umgesetzt wurde, wird in Form eines Proof-of-Concept für Bundled Payments vorgestellt. Schließlich werden die Anreizwirkungen und Effekte aktueller politischer Vorhaben wie der Vorhaltevergütung, Hybrid-DRGs und der Vergütung sektorenübergreifender Versorgungseinrichtungen modelliert und bewertet. In der anschließenden Diskussion soll unter anderem der Frage nachgegangen werden, wie veränderte Vergütungssysteme erfolgreich erprobt und pilotiert werden können. Denn die Effekte, die bei der Einführung neuer Versorgungs- und Vergütungsformen entstehen können, werden in Deutschland selten systematisch verfolgt. Evaluationen begleiten zwar viele Projekte, aber das Fehlen von Kontrollgruppen, die generelle Datenverfügbarkeit etc. erschweren in der Regel kausale Schlussfolgerungen.

Vorträge

Einflussfaktoren auf die Ambulantisierung in Krankenhäusern
Robert Messerle, Universität Hamburg

Einleitung

In den letzten Jahren hat der medizinische Fortschritt dazu geführt, dass immer mehr Verfahren, die früher der stationären Versorgung vorbehalten waren, ambulant durchgeführt werden können. Dieser Übergang hat die Möglichkeiten erweitert, die Versorgung von der traditionell ressourcenintensiven stationären Versorgung auf die wirtschaftlichere ambulante Versorgung zu verlagern. Unter dem Druck steigender Gesundheitsausgaben wird die ambulante Versorgung im Krankenhaus daher von Kostenträgern und politischen Entscheidungsträgern zunehmend als Möglichkeit gesehen, die Gesundheitsversorgung effizienter zu gestalten, ohne dabei Abstriche bei der Qualität zu machen. Um diese Entwicklung zu fördern, hat Deutschland 2023 eine Reihe von Reformen eingeleitet, mit denen die finanziellen Anreize für einige Eingriffe verbessert werden, aber auch die Liste der Leistungen erweitert wird, die Krankenhäuser ambulant und tagesklinisch erbringen dürfen. Bereits heute, trotz finanzieller Anreize die eher für eine stationäre Versorgung sprechen, bieten viele deutsche Krankenhäuser verschiedene ambulante Operationen an. Der Anteil der ambulanten Leistungserbringung variiert jedoch stark, sowohl regional als auch zwischen Krankenhäusern. Dies wirft die Frage auf: Was sind die Gründe für die Entscheidung der Krankenhäuser, ambulantes Operieren anzubieten oder nicht?

Das Wiesbadener Modell: Sektorengleiche Vergütung und inhärente Versorgungseffekte
Jana Hagenlocher, Hochschule RheinMain

Einleitung

Trotz langjähriger Diskussionen und Gutachten zur Erweiterung des ambulanten Operierens sowie der angestrebten Krankenhausreform hat die sektorengleiche Versorgung im Bereich ambulanter Eingriffe und Operationen in Deutschland keine wesentlichen Veränderungen erfahren. Dies steht im Kontrast zu international vergleichbaren medizinischen Standards, beeinträchtigt die Behandlungsqualität für Patientinnen und Patienten und verstößt gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot des SGB V. Im vergangenen Jahr hat die Thematik verstärkt Aufmerksamkeit von gesundheitspolitischen Akteuren und Entscheidungsträgern erhalten. Insbesondere im Zusammenhang mit der angestrebten Umsetzung einer sektorengleichen Pauschale gemäß § 115f SGB V und der Ausarbeitung eines Referentenentwurfs zur Leistungsauswahl und deren Vergütung. Die Frage nach potenziellen Auswirkungen und Versorgungseffekten, die sich aus diesen Maßnahmen konkret ergeben, verbleibt jedoch weiterhin Gegenstand der Diskussion. Diese Präsentation zeigt zunächst die Entwicklung und Umsetzung des Wiesbadener Modells zur sektorengleichen Versorgung und Vergütung am Beispiel des Fachbereichs Orthopädie und Unfallchirurgie, um dann eine Abschätzung der Effekte für die Versorgung abzuleiten. Neben finanziellen Auswirkungen für Krankenhäuser und niedergelassene Leistungserbringer liegt der Schwerpunkt auch auf der Bedeutung für die Patientenversorgung. Betrachtet werden einerseits zu erwartende Anreize und Selektionseffekte auf Leistungserbringerseite sowie das Verhalten auf Patientenseite bei erfolgreicher und nachhaltiger Implementierung einer sektorengleichen Vergütung. Dieser Beitrag öffnet zudem die Diskussion über eine nachhaltige Messung von entstehenden Effekten bei Einführung neuer Versorgungs- und Vergütungsformen. Dabei sollten perspektivisch auch Verhaltensänderungen berücksichtigt werden und nicht ausschließlich retrospektive Daten.

Wie kann ein innovatives Vergütungssystem gestaltet werden? Entwicklung eines Bundled Payment Vergütungsmodells bei Patientinnen und Patienten mit Linksherzinsuffizienz im Projekt sekTOR-HF
Matthias Arnold, inav - Institut für angewandte Versorgungsforschung

Einleitung

Im Zuge des Innovationsfondsprojekts sekTOR-HF wurde ein sektorenübergreifendes Bundled Payment-Vergütungsmodell für Patientinnen und Patienten mit Linksherzinsuffizienz entwickelt. Das Projekt stellt ein Proof-of-Concept für Bundled Payment in Deutschland dar. Zur Berechnung wurden eine retrospektive Analyse von Daten der gesetzlichen Krankenversicherung (2018-2019) herangezogen. Die Bundle-Preise und kostensteigernde Komorbiditäten (‚Bundle-Breaker‘) wurden anhand von Kostenprädiktionsmodellen berechnet. Insgesamt wurden vier Bundled Payment Szenarien basierend auf den NYHA-Stadien (New York Heart Association) entworfen, die vom sekTOR-HF-Konsortium als potenziell machbar erachtet wurden. Die jährlichen Bundle-Preise variieren dabei von 1.928 € (NYHA I-Patientinnen und Patienten) bis 5.567 € (NYHA IV-Patientinnen und Patienten). Mehrere Bundle Breaker, darunter Nierenversagen, Multiples Myelom und Herzstillstand, wurden identifiziert. Mit diesen Ergebnissen wurde in sekTOR-HF gezeigt, wie ein Bundled Payment in Deutschland designt werden kann und ein Proof-of-Concept in der Berechnung durchgeführt. Die hier identifizierten verschiedenen Designoptionen für Bundled Payment sowie die geschätzten Bundle Preise und Bundle Breaker zeigen, dass ein solches Vergütungsmodell machbar ist. Für die weitere Erprobung wird empfohlen eine Pilotierung mit wissenschaftlicher Begleitung zu planen. Bei der Planung sind Aspekte zu berücksichtigen, die den Erfolg eines Bundled Payments bestimmen. In diesem Beitrag werden die im Projekt erkannten Faktoren für eine erfolgreiche Umsetzung in der Pilotierung diskutiert und Lösungsvorschlage unterbreitet.

Bausteine der Vergütungsreform und ihre Implikationen
Andreas Schmid, Oberender AG / Universität Bayreuth

Einleitung

Im Fokus stehen neue Vergütungsmodalitäten für Krankenhäuser und damit zentrale Bausteine der laufenden Krankenhausreform. Hierzu zählen neben der Vorhaltevergütung insbesondere die Hybrid-DRGs und die Vergütung sektorenübergreifender Versorgungseinrichtungen. Neben den resultierenden Effekten auf die absoluten Erlöse sind insbesondere die verschiedenen Anreizwirkungen von Interesse. Es gilt zu prüfen, inwiefern die vom Gesetzgeber kommunizierten Ziele durch die Maßnahmen erreicht oder zumindest befördert werden. Hierzu werden konkrete Modellrechnungen durchgeführt, die eine entsprechende Bewertung zulassen.