Organisierte Sitzung
Die Umsetzung von Potenzialen Digitaler Gesundheitsanwendungen in der ambulanten Versorgung psychischer Erkrankungen (DiGAPsy)
Vorträge
DiGAPsy: Hemmnisse und Hürden bei der Einbindung von DiGA in die ambulante Versorgung psychischer Erkrankungen – ein Scoping Review
Stefanie Solar, Essener Forschungsinstitut für Medizinmanagement GmbH
Einleitung
Es wurde ein Scoping Review durchgeführt mit dem Ziel, bestehende Hürden bei der Einbindung von DiGA und internationalen DiGA-Äquivalenten in die Versorgung psychischer Erkrankungen zu identifizieren. Für den Scoping Review erfolgte eine systematische Recherche in den einschlägigen Datenbanken PubMed, Embase und PsycInfo, die durch eine strukturierte Recherche ergänzt wurde. Nationale und internationale Artikel wurden eingeschlossen, die sich mit Hürden und Hemmnissen von DiGA und DiGA-äquivalenten mHealth-Apps in der Versorgung von psychisch Erkrankten auseinandersetzen. Das Screening erfolgte durch zwei Reviewer*innen und die Inhalte sowie Ergebnisse wurden entsprechend der PRISMA Erweiterung für Scoping Reviews dargestellt. Im Rahmen der systematischen Recherche wurden 3.711 Publikationen identifiziert, von denen 20 final eingeschlossen wurden. Die Ergebnisse wurden um drei Publikationen der strukturierten Recherche ergänzt. Es konnten verschiedene Hürden wie z. B. datenschutzrechtliche Bedenken, eine mangelnde Evidenzlage, das Fehlen an Informationen oder organisatorische Barrieren identifiziert werden, die einer Einbindung von Gesundheitsapps entgegenstehen. Es bestehen verschiedene Hürden und Hemmnisse, die in der internationalen Literatur bei der Einbindung von DiGA-Äquivalenten mHealth-Apps adressiert werden und sich auch auf den deutschen Versorgungskontext übertragen lassen. Um diese Barrieren zu lösen, müssen Konzepte erarbeitet werden, die bei der optimalen Einbindung von DiGA in die Versorgung helfen könnten.
DiGAPsy: Einbindung von DiGA in die ambulante Versorgung psychischer Erkrankungen - Qualitative Analyse der Perspektive von Leistungserbringenden mittels Fokusgruppen
Klemens Höfer, Universität Duisburg-Essen, Lehrstuhl für Medizinmanagement
Einleitung
Aufbauend auf dem Scoping Review wurden Fokusgruppen mit Hausärzt*innen (HÄ) und Psychotherapeut*innen (PT) durchgeführt. Ziel dieser Fokusgruppen war es, u.a. die folgenden Forschungsfragen beantworten: - Welche Meinungen bestehen zu möglichen Konzepten der Einbindung von DiGA? Wo werden sinnvolle potenzielle Anwendungsgebiete im ambulanten Versorgungsprozess von psychischen Erkrankungen gesehen? - Welche Hürden und Hemmnisse bestehen hinsichtlich des aktuellen Einsatzes und der Nutzung von DiGA bei Leistungserbringenden? Grundlage für die Fokusgruppen war ein halbstrukturierter Gesprächsleitfaden. Die Auswertung der transkribierten Gespräche erfolgte im Rahmen einer qualitativen Inhaltsanalyse in Anlehnung an Kuckartz. Hierzu wurde das Programm MAXQDA verwendet. Es nahmen 24 Leistungserbringende an den Fokusgruppen teil. Unabhängig von der Fachgruppe wurde eine Verzahnung von DiGA und einer ambulanten Behandlung zumeist als sinnvollste Form der Einbindung gesehen. HÄ und PT äußerten den Wunsch, Einfluss auf den Nutzungsprozess zu haben. Hinsichtlich des Anlasses der Nutzung waren die PT der Nutzung von DiGA zur Überbrückung der Zeit bis zu einem Therapiebeginn kritisch eingestellt. HÄ sahen dies positiver und äußerten, dass dadurch möglicherweise Versorgungslücken reduziert werden können. Fehlende zeitliche Kapazitäten zur Einarbeitung waren aus Perspektive der PT und HÄ ein Problem, was einem verstärkten Einsatz entgegensteht. Sie äußerten den Wunsch nach übersichtlichen und vergleichenden Informationsangeboten. Aufgrund der aus ihrer Sicht hohen Preise wurde auch die Sorge vor einer Wirtschaftlichkeitsprüfung als hemmender Faktor benannt. Insbesondere der Weg der vorläufigen Erstattungsfähigkeit verunsicherte die PT und HÄ aufgrund des fehlenden Evidenznachweises durch eine vergleichende Studie und der Befürchtung, dass diese den positiven Versorgungseffektes nicht nachweisen könnten. HÄ und PT diskutierten den Zugangsweg über einen Selbstantrag der Patient*innen bei der Krankenkasse kontrovers. Einige sahen sich als Leistungserbringer alleinig für eine Verordnung zuständig, andere befürworteten die Möglichkeit, dass der Patient eigenverantwortlich über die Nutzung einer solchen Anwendung entscheiden könne. Die Fokusgruppenergebnisse deuten auf eine Diskrepanz zwischen der aktuellen Ausgestaltung der DiGA-Versorgung und den Wünschen und Einstellungen der Leistungserbringenden hin. Es besteht Handlungsbedarf, damit DiGA ihr volles Potenzial entfalten und die ambulante Versorgung psychischer Erkrankungen bestmöglich unterstützen können. Hier sollte zunächst das bestehende Informationsdefizit bei den Leistungserbringenden reduziert werden.
DiGAPsy: Einbindung von DiGA in die ambulante Versorgung psychischer Erkrankungen - Qualitative Analyse der Perspektive von Patient*innen mittels Fokusgruppen
Carina Abels, Universität Duisburg-Essen, Lehrstuhl für Medizinmanagement
Einleitung
Analog zu den Fokusgruppen mit Leistungserbringenden, wurden Fokusgruppen mit Patient*innen durchgeführt, mit denen dieselben Forschungsfragen adressiert wurden. Es nahmen 24 Patient*innen an den Fokusgruppen teil. Die Patient*innen hatten sowohl Erkrankungen mit denen Sie in hausärztlicher, psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlung waren (z.B. Depression und Angststörungen) als auch solche mit denen sie regelhaft in keiner Behandlung sind (Abhängigkeit gegenüber Tabak). Es wurden sowohl DiGA-Nutzer*innen als auch Nicht-DiGA-Nutzer*innen befragt, um verschiedene Perspektiven abzubilden und Hürden zu identifizieren. Erkrankungsunabhängig lag bei Nicht-DiGA-Nutzer*innen ein großes Informationsdefizit vor. Viele dieser Patient*innen kannten den neuen Versorgungsbaustein auch nach drei Jahren in der Versorgung gar nicht. Sie vermuteten weiterhin, dass er auch bei den Leistungserbringenden noch nicht ausreichend bekannt sei. Die Ansichten unterschieden sich in einigen Aspekten stark zwischen Patient*innen der unterschiedlichen Erkrankungen. Für Patient*innen, die sich in einer psychotherapeutischen / psychiatrischen Behandlung befanden, war es entscheidend, dass die Empfehlung zur DiGA-Nutzung durch den Behandler erfolge und sie mit ihm über die Nutzung sprechen können. Patient*innen ohne Anbindung an einen Leistungserbringenden war dies unwichtig bzw. sie wünschte explizit die Nutzung ohne einen Behandler. Entsprechend gingen auch die Meinungen zum Zugangsweg des Selbstantrags bei der Krankenkasse auseinander. Patient*innen sehen verschiedene Anlässe bei denen ein Einsatz sinnvoll sein könnte. Bei Teilnehmenden mit einer Tabakabhängigkeit könnte die DiGA dabei unterstützen das Rauchen zu reduzieren, aufzuhören und die Abstinenz aufrechtzuerhalten. Patient*innen mit einer Depression oder Angststörung empfinden einen therapiebegleitenden Einsatz hilfreich oder eine Unterstützung bei Rezidivgefahr, um ihnen Werkzeuge an die Hand zu geben, um den Abwärtstrend alleine zu überwinden. Die befragten Patient*innen waren dem Einsatz von DiGA positiv eingestellt, solange es nicht die Möglichkeit einer persönlichen Behandlung beim Leistungserbringenden einschränke. Erster Ansatzpunkt zu Erhöhung des Einsatzes von DiGA scheint patientenseitig zunächst in der Informationsbereitstellung zu liegen. Diese muss, insbesondere aufgrund des inhomogenen Indikationsspektrums der verschiedenen DiGA zielgruppenindividuell ausgestaltet werden und indikationsspezifische Unterschiede berücksichtigen.
DiGAPsy: Versorgungsrealität von DiGA in der ambulanten Versorgung bei psychischen Erkrankungen – Eine Sekundärdatenanalyse von GKV-Routinedaten
Sarah Schlierenkamp, Essener Forschungsinstitut für Medizinmanagement GmbH
Einleitung
Um den Status quo der Verordnungen von DiGA zu untersuchen und zu ermitteln für welche Indikationen und für welche Patient*innen aktuell DiGA verordnet werden, erfolgt eine Sekundärdatenanalyse von GKV-Routinedaten. Die Analyse wird anhand pseudonymisierter Routinedaten der Techniker Krankenkasse durchgeführt. In die Analyse einbezogen werden Versicherte, die 18 Jahre oder älter sind und im Indexzeitraum Q4 2020 bis Q1 2022 einen Freischaltcode für eine DiGA, die für psychische Erkrankungen zugelassen ist, erhalten haben. Darüber hinaus wird den DiGA-Nutzer*innen per Matchingverfahren eine Kontrollgruppe zugeordnet. Der Beobachtungszeitraum beträgt ein Jahr vor und ein Jahr nach dem Erhalt des DiGA-Freischaltcodes. Dieser Beitrag befasst sich mit der deskriptiven Analyse der beiden Gruppen hinsichtlich des Alters, des Geschlechts, der Ländlichkeit des Wohnortes und der verordneten DiGA (nur DiGA-Gruppe). Im Ergebnis werden soziodemografische Merkmale der Interventionsgruppe (DiGA-Gruppe) und der Kontrollgruppe gegenübergestellt. Darüber hinaus werden die verordneten DiGA dargestellt und abgebildet, welche DiGA im Indikationsbereich psychischer Erkrankungen für welche Indikationen besonders häufig verschrieben werden. Die Ergebnisse werden zum Zeitpunkt der Konferenz vorliegen. Die Ergebnisse geben ein erstes Bild vom aktuellen Verordnungsverhalten in Bezug auf DiGA zur Behandlung von psychischen Erkrankungen in Deutschland. Es wird möglich sein, soziodemografische Unterschiede zwischen DiGA-Nutzer*innen und Nicht-Nutzer*innen festzustellen und zu identifizieren, in welchem Anwendungsbereich DiGA am häufigsten verordnet werden.