Vortragssitzung

Ökonomik des Arzneimittelmarktes

Vorträge

Einfluss der erfolgreichen Entwicklung von Covid-19-Impfstoffen und Therapeutika auf die Finanzergebnisse pharmazeutischer Unternehmen
Thomas Hammerschmidt, Technische Hochschule Rosenheim

Einleitung / Introduction

Die Unternehmen BioNTech und Moderna haben mit den Covid-19-Impfstoffen zwischen 2020 und 2021 eine operative Gewinnmarge von 62% bzw. 74% erzielt, die somit weit über dem Industriedurchschnitt von ca. 25% liegt. Aus dieser hohen Gewinnmarge ergibt sich die Frage, welchen Einfluss die erfolgreiche Entwicklung von Covid-19-Arzneimitteln, d.h. Impfstoffen und/oder Therapeutika, auf Umsätze, Gewinne und Gewinnmargen innerhalb der pharmazeutischen Industrie insgesamt hat?

Methode / Method

Datenbasis sind die Quartalberichte der 30 weltweit umsatzstärksten pharmazeutischen Unternehmen sowie aller Unternehmen mit Zulassung eines Covid-19-Arzneimittels durch FDA oder EMA zwischen Q1/2018 und Q2/2022. Als operativer Gewinn wird der Umsatz abzüglich Herstell-, Forschung- und Entwicklungs- (F&E), Marketing-, Vertriebs- und Verwaltungskosten (MVV) definiert. Die Analyse erfolgte mit einem Difference-in-Difference-Modell mit multiplen Perioden. Die „Interventionsgruppe“ ist durch die erfolgreiche Zulassung eines Covid-19-Arzneimittels definiert. BioNTech, Moderna und Novavax wurden aus der Stichprobe ausgeschlossen, da sie wegen fehlender Gewinne vor Einführung der Impfstoffe die Annahme paralleler Trends nicht erfüllen können. Boehringer-Ingelheim wurde ausgeschlossen, da die Firma die Finanzzahlen nicht geeignet veröffentlicht. Die Finanzzahlen der im Beobachtungszeitraum aus den Firmen Pfizer und MSD ausgegliederten Unternehmen wurden den Mutterkonzernen zugerechnet.

Ergebnisse / Results

Von 27 untersuchten Unternehmen haben sechs Therapeutika, eins einen Impfstoff und zwei sowohl Therapeutika als auch Impfstoffe entwickelt. Diese Unternehmen gehören bis auf eine Ausnahme zu den umsatzstärkeren Unternehmen. Die erfolgreiche Zulassung eines Covid-19-Arzneimittels führte zu statistisch signifikant höheren Umsätzen je Quartal (+2,97 Mrd. US-$) und höheren operativen Gewinnen (0,72 Mrd. US-$). Produktions- und F&E-Kosten im Gegensatz zu MVV-Kosten steigen bei erfolgreicher Zulassung ebenfalls statistisch signifikant. Die Gewinnmarge fällt durch erfolgreiche Covid-19-Zulassungen leicht, aber nicht statistisch signifikant um 2,8% (p=0,299). Berücksichtigt man die Gruppen der Unternehmen mit erfolgreicher Zulassung eines Impfstoffes bzw. eines Therapeutikum getrennt, ändern sich die Ergebnisse strukturell nicht.

Zusammenfassung / Conclusion

Umsatzstärkere Pharmaunternehmern waren erfolgreicher, Covid-19-Arzneimittel allein oder in Kooperation zu entwickeln. Wenngleich Umsätze und Gewinne in hohem Ausmaß durch die erfolgreiche Entwicklung von Covid-19-Arzneimitteln stiegen, zeigten sich keine überproportionalen Gewinnmargen.


AutorInnen
Thomas Hammerschmidt, Technische Hochschule Rosenheim
Gaps between theoretical assessment, practical benefit and reimbursement of gene therapies
Ina Berger, SKC Beratungsgesellschaft mbH

Einleitung / Introduction

For many patients with rare diseases, gene therapies provide hope for a curative treatment of their disease and consequent normalization of living conditions and/or life expectancy. However, research and development costs for such novel therapies are often significantly higher compared to conventional therapies. Due to difficulties in predicting long-term efficacy and risks, this poses a strategic challenge for their reimbursement. This analysis aims to assess the evidence presented during the AMNOG-based benefit assessment procedures of gene therapies in correlation with the resulting reimbursed prices.

Methode / Method

Utilizing the MAIS database, a comprehensive evidence analysis incl. net rebate provided after price negotiations was conducted on each gene therapy product that has been processed by the G-BA to date.

Ergebnisse / Results

25 G BA procedures have been identified for gene therapies for a total of 17 active ingredients. Of the currently completed 19 procedures, 17 are addressing orphan diseases. The negotiated net rebate of gene therapy procedures ranged from 13.8 to 52.1%. However, 4 gene therapies withdrew from the market during price negotiations or after arbitration. Resulting from the evidence analysis, 5 out of the 17 completed orphan procedures (29%) were identified to provide an RCT as evidence base. In 3 of these 5 procedures a quantifiable additional benefit was established in at least 1 subpopulation. In contrast, 17 of all completed procedures (89%) achieved no additional benefit or only a non-quantifiable additional benefit in at least 1 subpopulation. According to G-BA, the evidence base in at least one subpopulation was not sufficient for assessment in 12 of these 17 procedures (71%) because of study design – the pharmaceutical entrepreneur had not submitted adequate data. In 1 procedure, an indirect comparison of two single-arm studies using a paired sibling analysis was considered for assessment of an additional benefit.

Zusammenfassung / Conclusion

Given that IQWiG and G-BA assess the additional benefit of gene therapies by applying the same criteria as for conventional therapies, generating sufficient evidence (i.e. via an RCT) is essential. However, due to ethical concerns and low patient numbers, resulting study designs are usually approved by regulatory authorities, albeit typically not by G-BA. Consequently, a gap opens up between requirements for approval and for the additional benefit assessment according to AMNOG. Thus, the effective benefit of gene therapies for patients may not be demonstrated. Moreover, many products receive high rebates within negotiations and may be withdrawn from the German market.


AutorInnen
Ina Berger, SKC Beratungsgesellschaft mbH
Ina Buchholz, SKC Beratungsgesellschaft mbH
Thomas Frankl, SKC Beratungsgesellschaft mbH
Matthias P. Schönermark, SKC Beratungsgesellschaft mbH
Heike Kielhorn-Schönermark, SKC Beratungsgesellschaft mbH
Unterschiede in der Verordnung von direkten oralen Antikoagulanzien
Ronja Flemming, Lehrstuhl für Gesundheitsökonomie, TU München

Einleitung / Introduction

In Deutschland sind vier direkte orale Antikoagulanzien (DOAK) zur Schlaganfallprophylaxe und zur Behandlung und Rezidivprophylaxe nach tiefen Venenthrombosen sowie Lungenembolien zugelassen. Im Gegensatz zur Vergleichstherapie mit Vitamin-K-Antagonisten (VKA) ist bei einer Medikation mit DOAKs keine regelmäßige Überwachung erforderlich, sodass sie seit ihrem Marktzugang immer häufiger eine Medikation mit VKA ersetzen. Gleichzeitig ist die Medikation mit DOAKs umstritten, da bislang keine eindeutig vorteilhafte Wirksamkeit gegenüber einer VKA-Therapie nachgewiesen werden konnte, gewisse Sicherheitsbedenken bestehen und sie deutlich teurer sind. Auch zwischen den vier DOAKs besteht eine unterschiedliche Einschätzung hinsichtlich ihrer Wirksamkeit, sodass die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft eine Empfehlung für die bevorzugte Verordnung von Apixaban und Edoxaban (Positivwirkstoffe) ausgesprochen hat. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, Faktoren zu ermitteln, die die Verordnung der vier Wirkstoffe beeinflussen.

Methode / Method

Die Studie basiert auf der Analyse von Routinedaten der AOK Hessen, Bayern und PLUS und umfasst alle Patienten, die im Beobachtungszeitraum (2014 bis 2017) mindestens eine DOAK-Verordnung erhalten haben. Aus den Routinedaten wird abgeleitet, für welche Patienten eine Erstverordnung mit einem der DOAKs im Analysezeitraum von August 2015 bis März 2017 erfolgte und welches DOAK dies war. In einem Mehrebenenmodell mit binärem Outcome wird untersucht, welche Faktoren eine Verordnung mit einem Positivwirkstoff begünstigen. Die drei Ebenen in diesem Modell bestehen aus der Region, dem verordnenden Arzt und dem Patienten.

Ergebnisse / Results

Vor dem Markteintritt von Edoxaban im August 2015 erhielten monatlich etwa 5500 AOK-Versicherte eine Erstverordnung mit einem DOAK. Die Zahl stieg auf etwa 7000 in 2017. In dem Analysezeitraum erhielten insgesamt 106061 Patienten eine Erstverordnung für ein DOAK. Die Regressionsergebnisse zeigen, dass die Entscheidung für einen Positivwirkstoff von Faktoren auf allen drei Ebenen abhängt. Zum Beispiel war es für Patienten mit einem vorausgegangenen Krankenhausaufenthalt wahrscheinlicher einen Positivwirkstoff zu erhalten als für Patienten, die nicht im Krankenhaus waren. Im Vergleich zu einer Erstverordnung durch Hausärzte war es wahrscheinlicher einen Positivwirkstoff von Kardiologen zu erhalten. Auf regionaler Ebene zeigte sich, dass es in ländlichen Regionen unwahrscheinlicher war, einen Positivwirkstoff verordnet zu bekommen.

Zusammenfassung / Conclusion

Die Analyse zeigt, dass die Verbreitung der DOAKs von vielen verschiedenen Faktoren abhängt. Bei einem Versuch die Verordnungsqualität zu steuern, sollte dies berücksichtigt werden, um effektive Strategien zu entwickeln.


AutorInnen
Ronja Flemming (für das WirtMed Konsortium), Lehrstuhl für Gesundheitsökonomie, TU München
Leonie Sundmacher, Lehrtuhl für Gesundheitsökonomie, TU München
Auswirkungen des Joint(EU) HTA auf den AMNOG-Prozess
Yannick Walzer

Einleitung / Introduction

Die Frage, ob eine harmonisierte Gesundheitstechnologiebewertung in Europa etabliert wird, ist mit der EU-Verordnung (2021/2282) beantwortet – sie wird erstmals 2025 etappenweise und verpflichtend umgesetzt. Jedoch bleiben durch die Verordnung, die teilweise sehr offengehalten ist, viele Fragen ungelöst. Es ist noch nicht klar, wie das Methodenpapier für das Joint-Clinical-Assessment aussehen wird, wie stark sich die Auswirkungen auf den AMNOG-Prozess bzw. für die pharmazeutischen Unternehmen auswirken werden oder auch welche Anforderungen auf europäischer Ebene als auch auf den nationalen Ebenen zu erbringen sind. Diese Arbeit beschäftigt sich mit den möglichen Auswirkungen von Joint(EU) HTA auf den AMNOG-Prozess und soll einen Überblick zur EU-Verordnung geben und die aktuellen Expertenmeinungen abbilden, um daraus erste Handlungsempfehlungen für pharmazeutische Unternehmen abzuleiten.

Methode / Method

Zum einen wurde die durchgeführte Literaturrecherche explorativ eingeordnet und zum anderen wurden die abgehaltenen Experteninterviews qualitativ ausgewertet. Die Ergebnisse beider Methoden werden innerhalb dieser Arbeit zusammen dargestellt als auch diskutiert.

Ergebnisse / Results

Die befragten Experten bewerteten die Stärke der Auswirkungen von Joint(EU) HTA auf einer numerischen Skala (1 = Keine/sehr geringe bis 10 = sehr stark) divergierend zwischen 3 - 8 (Mittel 5,5). Einigkeit herrscht darüber, dass sich die pharmazeutischen Unternehmen anfänglich auf Doppelarbeit einstellen sollten. Dieser Umstand sei darauf zurückzuführen, dass zum europäischen Dossier ebenso die nationalen Dossiers komplett zu erarbeiten seien, was eines der Ziele - Doppelarbeit zu vermeiden – verfehlt. Die EU-Verordnung sieht vor, dass für das europäische Dossier alle möglichen PICO-Schemata (endliche Anzahl) und alle Studien in Bezug zum Arzneimittel darzustellen und schließlich für die nationale Einreichung in den Versorgungskotext zu übersetzen sind. Als problematisch wird beschrieben, dass die Konsultationen im Scopingverfahren, im Gegensatz zu denen im AMNOG-Prozess, nur einen „sehr geringen“ Umfang einnehmen, was dazu führen kann, dass die Erfordernisse an das europäische Dossier (z. B. PICOs oder Studien) vermutlich nicht zufriedenstellend erfüllt werden können. Uneins sind sich die Experten über die Auswirkungen auf die Nutzenbewertung im AMNOG-Prozess.

Zusammenfassung / Conclusion

Durch diese Arbeit konnten mögliche Empfehlungen für die pharmazeutische Industrie abgeleitet werden. Da der Prozess noch nicht angelaufen ist, kann zu einigen zentralen Bestandteilen, wie dem Methodenpapier, das sich im Erstellungsprozess befindet, keine Aussagen getroffen werden. Wie sich die Rahmenbedingungen bis zum Start 2025 bzw. auch danach entwickeln werden, und wie stark die Auswirkungen tatsächlich ausfallen, bleibt bis zur Evaluation des Prozesses ungewiss.


AutorInnen
Yannick Walzer, MArS - Market Access and Pricing Strategy GmbH
Stefan Walzer, MArS - Market Access and Pricing Strategy GmbH
Lutz-Michael Vollmer, MArS - Market Access and Pricing Strategy GmbH