Vortragssitzung

Versorgung in der Pandemie

Vorträge

Versorgung von Patient*innen mit Herzinfarkt in den ersten fünf Phasen der Covid-19-Pandemie
Uwe Sander, Hochschule Hannover

Einleitung / Introduction

Die Versorgung von Patient*innen mit Herzinfarkt während der Covid-19-Pandemie hat sich im Vergleich zu der präpandemischen Zeit verändert. Wir berichten über die Entwicklung der Fallzahlen in den ersten fünf Phasen (P1-5) der Pandemie unter Berücksichtigung von Alter, Geschlecht, Pflegebedürftigkeit, Krankenhauseigenschaften und Behandlungen.

Methode / Method

15689 stationäre Fälle der Ersatzkassenversicherten in niedersächsischen Krankenhäusern (01.03.2019 bis 31.08.2021) und einer Herzinfarkt-Hauptdiagnose wurden in die Studie eingeschlossen. Kontrollfälle wurden aus den jeweiligen letzten präpandemischen Wochen gebildet. Es wurden Inzidenzratenverhältnis (Pandemiephasen / Kontrollzeitraum) ermittelt.

Ergebnisse / Results

In der Pandemiephase 1 (erste Welle, P1) wurden nur 888 Fälle statt der erwarteten 1193 (IRR 0.75, KI 95% 0.66-0.83) stationär behandelt und in P4 (dritte Welle) nur 3210 Fälle statt der erwarteten 3413 (0.95, 0.9-1, p=0.042). Der Rückgang in P1 in allen Altersgruppen war am stärksten bei den 60−69jährigen (IRR 0.68) und 70−79jährigen (0.7) und bei Männern insgesamt ausgeprägter (0.65) als bei Frauen (0.81). Frauen über 80 Jahre (n=2241) wurden in P3 (zweite Welle) seltener (IRR 0.81) und P5 (Plateauphase) häufiger (1.32) stationär aufgenommen. In den fünf beobachteten Pandemiephasen insgesamt war der Anteil an Pflegebedürftigen mit 20.1% (1793) höher als die erwarteten 16.6% (1550, p<0.0001). Dabei trat Pflegebedürftigkeit in P1 seltener auf als erwartet (O/E 121/199; IRR 0.65, 0.46-0.83), in P4 (1.41) und P5 (Plateauphase, 1.28) dagegen häufiger. In den fünf beobachteten Phasen gab es keine signifikanten Änderungen bezüglich des Anteils der Fälle mit Koronarangiographien, PCI oder Bypass-Operationen. Ebenfalls gab es keine signifikanten Verschiebungen von Patient*innen zu Häusern mit Chest Pain Units (CPUs) oder mit Linksherzkatheterlaboren und auch keine Verschiebung bezüglich der Trägerschaften freigemeinnützig, öffentlich oder privat. Insgesamt in den fünf Phasen und insbesondere in P2 (Plateauphase) traten Fallzahlverschiebungen bezüglich der Krankenhausgrößen auf. In Häusern mit mittlerer Bettenanzahl (300 bis 599) wurde in P2 mit 40.6% ein geringerer Anteil an Herzinfarkt-Fälle (912) behandelt als erwartet (44.8%, 1006). Häuser mit 600 und mehr und solche unter 300 Betten hatten entsprechende Zuwächse. (Für alle Ergebnisse gilt p<0.05).

Zusammenfassung / Conclusion

In der ersten und dritten Welle der Covid-19-Pandemie wurden in niedersächsischen Krankenhäusern weniger vdek-versicherte Herzinfarkt-Patient*innen stationär aufgenommen als erwartet. Frauen über 80 Jahre wurden in der zweite Welle seltener stationär aufgenommen. Insgesamt war der Anteil Pflegebedürftiger höher als erwartet, außer in der ersten Welle. Signifikante Änderungen bei diagnostischen und therapeutischen Verfahren und Herzinfarkt-spezifischen Ausstattungsmerkmalen von Krankenhäusern wurden nicht beobachtet. Häuser mit mittlerer Bettenanzahl hatten einen geringeren Anteil an Herzinfarkt-Fällen.


AutorInnen
Uwe Sander, Hochschule Hannover
Michael Wittland, Hochschule Hannover
Sönke Petersen, Hochschule Hannover
Anja Schindler, Hochschule Hannover
Stationäre Behandlungen in Krankenhäusern in Niedersachsen in den ersten fünf Phasen der Covid-19-Pandemie
Michael Wittland, Hochschule Hannover

Einleitung / Introduction

Die Covid-19-Pandemie hat insbesondere zu Beginn die Versorgung der Bevölkerung in Krankenhäusern wesentlich beeinflusst. Dabei kam es auch zu überraschenden Effekten: Nicht nur die Fallzahlen planbarer stationärer Behandlungen sind stark zurückgegangen. Auch Notfälle und onkologische Erkrankungen wurden vor allem zu Beginn der Pandemie seltener stationär in Krankenhäusern behandelt. Unsere Studie untersucht, wie sich die Fallzahlen bei Schlaganfall, Herzinfarkt, Brustkrebs sowie Knie- und Hüftendoprothesen in niedersächsischen Krankenhäusern in den ersten fünf Pandemiephasen im Vergleich zum Jahr vor der Pandemie verändert haben.

Methode / Method

Die Studie betrachtet 76415 somatische stationäre Fälle der Ersatzkassenversicherten in niedersächsischen Krankenhäusern, aufgenommen zwischen dem 01.03.2019 und dem 31.08.2021. Unsere Arbeit vergleicht stationäre Fallzahlen in den Pandemiephasen – gebildet in Anlehnung an die Phaseneinteilung des RKI – mit den Fallzahlen in den jeweils korrespondierenden Zeiträumen vor der Pandemie. Weitergehende Analysen nehmen die Fallzahlveränderungen in Abhängigkeit verschiedener Charakteristika der Patient*innen wie Geschlecht, Alter und Pflegebedürftigkeit sowie der Krankenhäuser wie Bettenzahl, Zertifizierungen und Höhe der Freihaltepauschale in den Blick.

Ergebnisse / Results

In der ersten Pandemiephase zeigt sich für alle betrachteten Fallgruppen ein signifikanter Rückgang der stationären Fallzahlen, für einzelne Fallgruppen auch in der vierten Phase. Besonders deutlich fällt dieser erwartungskonform für elektive Behandlungen aus: Die Fallzahlen in niedersächsischen Krankenhäusern liegen hier beispielsweise bei Knieendoprothesenerstimplantationen in der ersten Pandemiephase um 75 % unter dem Niveau des korrespondierenden Vorjahreszeitraums (IRR 0.25, 95% KI 0.06 – 0.43). Aber auch Notfallbehandlungen wie bei Herzinfarkt sind im selben Zeitraum deutlich rückläufig (0.75, 0.66 – 0.83). Die Entwicklungen unterscheiden sich dabei teilweise in Abhängigkeit betrachteter Charakteristika der Patient*innen und der Krankenhäuser. Ein hoher Grad an Pflegebedürftigkeit beispielsweise korreliert vor allem zu Beginn der Pandemie vielfach mit einem besonders deutlichen Fallzahlrückgang.

Zusammenfassung / Conclusion

Die stationären Fallzahlen sind nicht nur für elektive stationäre Krankenhausbehandlungen wie Knie- und Hüftimplantationen, sondern auch für Notfälle wie Herzinfarkte und Schlaganfälle insbesondere in der ersten Phase der Covid-19-Pandemie rückläufig. Die Entwicklungen unterscheiden sich dabei in Teilen in Abhängigkeit verschiedener Merkmale der Patient*innen und Krankenhäuser. Auf dieser Basis lassen sich Implikationen für das Management künftiger Pandemien diskutieren.


AutorInnen
Michael Wittland, Hochschule Hannover
Uwe Sander, Hochschule Hannover
Sönke Petersen, Hochschule Hannover
Anja Schindler, Hochschule Hannover
Revisiting Reference points The role of domain-specific reference points for life satisfaction in the COVID-19 pandemic, an ECOS study
Sebastian Neumann-Böhme, Hamburg Center for Health Economics, Universität Hamburg

Einleitung / Introduction

For well-being, it is not only important what people have, in absolute terms, but also how this compares to particular reference points. Studies have shown that a set of reference points are important for the well-being of individuals. In this study, we investigate the question of which reference points were relevant to individuals' well-being and mental health during the COVID-19 pandemic. To assess the effect of such relative comparisons on two different measures of subjective well-being and one for mental health, with seven potential reference points for income and health. This provided insight into which reference points may be relevant in self-assessments of well-being and whether different reference points apply in the monetary and health domains.

Methode / Method

We used the Multiple Discrepancies Theory (MDT) to empirically investigate potential reference points regarding income and health associated with the subjective well-being (SWB) of individuals. We make use of the European Covid Survey (ECOS) with representative samples (N=7.068) of the public in seven European countries. Subjects were asked to complete the Satisfaction with Life Scale (SWLS) and ICEpop CAPability measure for Adults (ICECAP-A) as well as the Patient Health Questionnaire-4 (PHQ-4). For the income-related reference points, we elicited the monthly household income and asked subjects to indicate how they assessed their income compared to seven reference points (self-needs, self-deserves, self-wants, self-others, self-past, self-progress and self-future). These questions were derived from MDT and asked again for the health domain using the EQ5D-5L as a health measure.

Ergebnisse / Results

Initial results suggest that, in line with the literature, we found a significant relationship between SWLS and age and a positive relationship between income and health. Concerning the included sets of reference points, we find a set of them are significantly associated with SWLS, while only some affect mental health (PHQ-4). The final results will be presented at the conference.

Zusammenfassung / Conclusion

This study suggests that multiple but different reference points for income and health are associated with subjective well-being scores and mental health during the pandemic. We found negative effects on life satisfaction and mental health if there are negative discrepancies between the status quo and the included reference points.


AutorInnen
Sebastian Neumann-Böhme, Hamburg Center for Health Economics, Universität Hamburg
Iryna Sabat, Nova School of Business & Economics (Lisbon, Portugal)
Jonas Schreyögg, Hamburg Center for Health Economics, Universität Hamburg
Versorgung von Patient*innen mit Schlaganfall in den ersten fünf Phasen der Covid-19-Pandemie
Uwe Sander, Hochschule Hannover

Einleitung / Introduction

Die Versorgung von Patient*innen mit Schlaganfall während der Covid-19-Pandemie hat sich im Vergleich zu der präpandemischen Zeit verändert. Wir berichten über die Entwicklung der Fallzahlen in den ersten fünf Phasen (P1-5) der Pandemie unter Berücksichtigung von Alter, Geschlecht, Pflegebedürftigkeit, Sterbefällen, Schlaganfall-Folgen, Behandlungen und Zertifizierungen.

Methode / Method

30868 stationäre Fälle der Ersatzkassenversicherten in niedersächsischen Krankenhäusern (01.03.2019 bis 31.08.2021) und einer Schlaganfall-Hauptdiagnose wurden eingeschlossen. Kontrollfälle der Pandemiephasen wurden aus den jeweiligen letzten präpandemischen Wochen gebildet. Es wurden Inzidenzratenverhältnisse (IRR, Pandemiephasen / Kontrollzeitraum) ermittelt.

Ergebnisse / Results

Fallzahlen: In Phase 1 (P1) zeigte sich ein Rückgang der Fallzahlen (IRR 0.81, 95% KI 0.75 - 0.88), bei Frauen zusätzlich auch in P4 (0.93, 0.87 - 0.98). Bei den 70-79jährigen zeigte sich ein stärkerer Rückgang in P1 (0.876, 0.68 - 0.83) wie auch in P4 (dritte Welle, 0.89, 0.84 - 0.95). Mit TIA wurden in P4 weniger Patient*innen aufgenommen (0.9, 0.83 - 0.97). Verstorbene: In P1 verstarben mit 6.9% mehr Patient*innen (130) als die erwarten 4.7% (109, p=0.0027). Pflegebedürftigkeit: In P1 waren weniger Patient*innen pflegebedürftig (22%, 412, p<0.0001) als erwartet (31.2%, 719), ebenso in P2 (Plateauphase, 27.2%, 1230 zu 31.7%, 1454, p<0.0001). In P3 (zweite Welle) waren mehr Patient*innen pflegebedürftig (34.9%) als erwartet (30.1%, p<0.0001), ebenso in P4 (34% zu 27.7%, p<0.0001). Schlaganfall-Folgen: Patient*innen mit Hirninfarkt oder Blutung hatten in der beobachteten Pandemiezeit insgesamt und in P4 (dritte Welle) häufiger neurologisches Neglect, Dysphagie oder Schluckbeschwerden sowie Sprech- und Sprachstörungen. Der Anteil von TIA-Patient*innen mit Hemiparese und Hemiplegie verringerte sich in der beobachteten Pandemiezeit insgesamt auf 9.6% (461) statt der erwarteten 11.6% (607, p=0.0012). Behandlungen: Der Anteil von Patient*innen mit neurologischer Komplexbehandlung steigerte sich in der beobachteten Pandemiezeit auf 68.4% (erwartet 65%) mit signifikanter Erhöhung in jeder Phase. Der Anteil von Thrombektomien erhöhte sich in der Pandemiezeit auf 4.1% (erwartet 3,5%). Stroke Units: Der Anteil von auf überregionalen Stroke Units Behandelten war mit 41.7% geringfügig höher als die erwarteten 39.9%. (Für alle Ergebnisse p<0.05).

Zusammenfassung / Conclusion

Nicht nur in der ersten Welle der Pandemie, sondern auch in der dritten Welle waren Fallzahlrückgänge zu beobachten. Es zeigten sich zudem Auffälligkeiten bei den Folgen des Schlaganfalls sowie bei Behandlungen bei Patient*innen. In allen fünf Phasen der Pandemie wurden signifikante Unterschiede zur präpandemischen Zeit festgestellt.


AutorInnen
Uwe Sander, Hochschule Hannover
Sönke Petersen, Hochschule Hannover
Anja Schindler, Hochschule Hannover
Michael Wittland, Hochschule Hannover