Vortragssitzung

Kosten und Lebensqualität

Vorträge

Impact of Low-value Medications on Quality of Life, Hospitalization and Costs – A Longitudinal Analysis of Patients Living with Dementia
Moritz Platen, Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE), Standort Greifswald

Einleitung / Introduction

Menschen mit Demenz sind häufig von Low-value medications betroffen, d. h. von Medikamenten, bei denen das Risiko eines Schadens den potenziellen Nutzen übersteigt. Low-value medications bei Menschen mit Demenz werden mit negativen körperlichen, psychologischen und finanziellen Folgen assoziiert. Allerdings wurden diese Zusammenhänge bisher noch nicht im Längsschnitt untersucht. Ziel dieser Studie war es daher, die Auswirkungen von Low-value medications auf patientenbezogenen Ergebnisse bei Menschen mit Demenz über einen Zeitraum von 24 Monaten zu analysieren.

Methode / Method

Die Längsschnittanalyse basierte auf n=352 Menschen mit Demenz der DelpHi-MV-Studie („Demenz: lebenswelt- und personenkonzentrierte Hilfen in Mecklenburg-Vorpommern“). Die Daten wurden bei Studienbeginn sowie nach 12 und 24 Monaten erhoben. 10 Low-value medication-Behandlungen wurden in den DelpHi-MV-Daten gemessen. Mit dem 12-Item Short-Form Health Survey wurde die psychische und physische gesundheitsbezogene Lebensqualität der Patienten bewertet. Die Krankenhausaufenthalte wurden retrospektiv für 12 Monate bewertet. Die Gesundheitskosten wurden durch standardisierte Einheitskosten monetarisiert. Multiple panel-spezifische Regressionsmodelle wurden angewendet, um die Auswirkungen von Low-value medications auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität, die Krankenhausaufenthalte und die Kosten zu analysieren.

Ergebnisse / Results

Im Laufe von 24 Monaten erhielten n=182 Menschen mit Demenz (52 %) mindestens einmal und n=56 (16 %) kontinuierlich Low-value medications. Die Prävalenz sank von 36 % (95 % CI, 30,8 % - 40,8 %) bei Studienbeginn auf 29 % (95 % CI, 24,2 % - 33,7 %) zwei Jahre später. Die Behandlung von Menschen mit Demenz mit Low-value medications erhöhte das Risiko eines Krankenhausaufenthalts signifikant um 58 % (95 % CI, 1,14 OR - 2,19 OR; p=0,006), erhöhte die Gesundheitskosten um 5.359 € (95 % CI, -790 € - 11.508 €; p=0,088) und verringerte die gesundheitsbezogene Lebensqualität der Patienten (b=-1,81; 95 % CI, -3,00 - -0,63; p=0,003).

Zusammenfassung / Conclusion

Mehr als jeder zweite Mensch mit Demenz erhielt einmal, bis zu 12 Monate oder kontinuierlich über 24 Monate Low-value medications, was sich negativ auf die von den Patienten berichtete gesundheitsbezogene Lebensqualität, Krankenhausaufenthalte und Kosten auswirkte. Während die kontinuierliche Einnahme von Low-value medications die gesundheitsbezogene Lebensqualität der Patienten verringerte, war die kurzfristige Einnahme relevant für den Anstieg der Krankenhausaufenthalte und Kosten. Innovative Konzepte sind erforderlich, welche die verschreibenden Ärztinnen und Ärzte dazu ermutigen, Low-value medications in der Demenzversorgung zu vermeiden und zu ersetzen.


AutorInnen
Moritz Platen, Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE), Standort Greifswald
Steffen Fleßa, Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Gesundheitsmanagement, Universität Greifswald
Wolfgang Hoffmann, Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE), Standort Greifswald & Institut für Community Medicine / Abt. Versorgungsepidemiologie und Community Health, Universitätsmedizin Greifswald
Bernhard Michalowsky, Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE), Standort Greifswald
Kosten der Enzymersatztherapie im häuslichen Umfeld für Patienten mit lysosomalen Speicherkrankheiten in Deutschland
Ria Heinrich, WIG2 GmbH
Franziska Claus, WIG2 GmbH

Einleitung / Introduction

Lysosomale Speicherkrankheiten (LSK) sind seltene Stoffwechselstörungen, die zu einer Anhäufung körpereigener Abfallstoffe und fortschreitenden Organschäden führen. Sie werden mit einer intravenösen Enzymersatztherapie (EET) behandelt, die im häuslichen Umfeld oder in spezialisierten Zentren verabreicht wird. Die Kosten der EET für das deutsche Gesundheitssystem wurden bisher nicht untersucht. Diese Studie zielt darauf ab, die direkten Kosten der EET im häuslichen Umfeld bei LSK-Patienten zu ermitteln.

Methode / Method

Die Studienpopulation umfasste Patienten mit den Erkrankungen Morbus Fabry, Morbus Gaucher, Morbus Pompe und Mukopolysaccharidose Typ I (MPS I), die von ihren behandelnden Ärzten als geeignet für die EET im häuslichen Umfeld eingestuft wurden. Als Ressourcenverbräuche wurden das EET-Medikament, sämtliche Hilfsmittel und Materialien, der Zeitaufwand für die Vorbereitung, Verabreichung und Nachbereitung der Infusion sowie die Anfahrtswege und die Dauer des Einsatzes von spezialisiertem Pflegepersonal im Zeitraum von 2019 bis 2021 patientenindividuell erfasst. Die Bewertung der Ressourcenverbräuche erfolgte im Falle der Arzneimittel auf Basis des Apothekenverkaufspreises sowie im Falle des Zeitaufwands der Pflegekräfte anhand durchschnittlicher Pflegepersonalkosten der spezialisierten Pflegedienste. PKW-Fahrten zum Wohnort des Patienten wurden pauschal mit 0,30€ je km bewertet, Flüge wurden anhand der Ticketpreise berücksichtigt.

Ergebnisse / Results

Es wurden Daten von 62 Patienten analysiert: 29 (46,8%) mit Morbus Fabry, 10 (16,1%) mit Morbus Gaucher, 19 (30,6%) mit Morbus Pompe und 4 (6,5%) mit MPS I. Das Alter der Patienten reichte von 3 bis 79 Jahren (Mittelwert: 40 Jahre); 42% der Patienten wiesen Komorbiditäten auf (19,4% mit Bluthochdruck und 10% mit Herzerkrankungen). Die durchschnittlichen EET-bezogenen Gesamtkosten betrugen 369.047€ pro Jahr und Patient. Etwa 98,5% dieser Kosten entfielen auf die Infusionstherapie und -verabreichung (363.880€) und etwa 1,5% auf Personal-, Fahrt- und Flugkosten. Patienten mit Morbus Pompe verursachten die höchsten durchschnittlichen jährlichen Kosten (483.907€), Patienten mit Morbus Fabry die niedrigsten (264.896€). Die Kostenunterschiede zwischen den Erkrankungen waren in erster Linie auf die Kosten für die EET-Medikamente zurückzuführen. Obwohl Patienten mit MPS I etwa doppelt so viele Infusionen benötigen, führten die deutlich niedrigeren Arzneimittelkosten zu den zweitniedrigsten durchschnittlichen Gesamtkosten der vier untersuchten Subtypen.

Zusammenfassung / Conclusion

Diese Studie ermittelt erstmalig die direkten Kosten der EET im häuslichen Umfeld bei LSK-Patienten in Deutschland. Die Gesamtkosten werden fast ausschließlich durch das EET-Medikament verursacht.


AutorInnen
Ria Heinrich, WIG2 GmbH
Franziska Claus, WIG2 GmbH
Tonio Schönfelder, WIG2 GmbH
Ambulante Kosten des Ausschlusses der koronaren Herzkrankheit (KHK) bei symptomatischen Patient*innen
Steffen Wahler, St Bernward GmbH, Hamburg

Einleitung / Introduction

Schmerzen in der Brust, verbunden mit dem Verdacht auf eine koronare Herzkrankheit (KHK) ist einer der häufigsten Gründe für die Inanspruchnahme medizinischer Hilfe. 90 % der Fälle sind nicht koronarer Natur. Daher ist der Ausschluss einer KHK eine typische Aufgabe in der ambulanten Versorgung, geschätzte jährliche Inzidenz in Deutschland von 800.000 bis 1.200.000. In dieser prospektiven klinischen Studie wurden bei konsekutiven Patient*innen ohne KHK-Anamnese, die sich mit Verdacht auf KHK in einer kardiologischen Ambulanz vorstellten, leitliniengemäß kardiologische Diagnostik durchgeführt, um eine KHK definitiv auszuschließen oder zu bestätigen. Die Kosten wurden erfasst, um den Aufwand in der Kohorte abzuschätzen und für Deutschland zu extrapolieren.

Methode / Method

Die Studie umfasste 214 Patienten*innen, über 40 Jahre, die sich zwischen April 2019 und März 2020 mit Brustschmerzen vorstellten und ein Verdacht auf KHK bestand. KHK-Diagnosekaskade auf der Grundlage der aktuellen nationalen Leitlinie. Nachbeobachtung für sechs Monate. Kostendefinition durch beide ambulante Abrechnungssysteme (EBM, GOÄ).

Ergebnisse / Results

196 von 214 Patient*innen schlossen die vollständige Diagnostik ab (91,6 %). Durchschnittsalter 61,1 Jahre (SD 11,0); 50,7 % weiblich; 23,9 % derzeitige Raucher; 12,6 % Diabetes; 57,7 % Bluthochdruck. Jeweils Ruhe-EKG und Standard-Echokardiographie; 178/196 (90,8%) Belastungs-EKG (Ergometrie). Die Patient*innen unterzogen sich 15 verschiedenen diagnostischen Pfaden, die Herz-CTA, diagnostischen Katheter (CAG), Stress-Echokardiographie und Stress-MRT kombinierten. Weitere nicht-invasive Ischämietests oder CTA wurden bei 85/196 (43,4 %) durchgeführt, CAG bei 77/196 (39,3 %). Eine signifikante KHK wurde bei 25/196 Patient*innen (12,8 %) festgestellt; 96,0 % davon wurden durch CAG bestätigt. Kostenberechnung mit a) heutigem Anteil stationärer Diagnostikkatheter b) rein ambulanter Ausschluss. Diagnostikkosten betrugen im EBM: a) 853,42€ b) 373,71€ pro Patient*in, nach GOÄ: a) 1.122,02€ b) 938,75€. Die Kosten für eine bestätigte KHK betrugen im EBM: a) 2.113,01€ b) 772,86€ pro Patient*in; in der GOÄ: a) 2.523,85€ b) 2.011,87€. Die Kosten für eine nur ausgeschlossene KHK betrugen im EBM: a) 505,70€ b) 264,11€ pro Patient*in, in der GOÄ: a) 938,75€ b) 643,42€. Die jährlichen Kosten für die CAD-Diagnose symptomatischer Patienten werden auf 704 bis 1.056 Mio.€ geschätzt. Die Einsparungen, die sich ergeben, wenn die Diagnose nur ambulant gestellt wird, werden auf 360 bis 540 Mio.€ geschätzt.

Zusammenfassung / Conclusion

Die Diagnosewege zum Ausschluss einer KHK sind trotz Leitlinie äußerst uneinheitlich. Die Gesamtauswirkungen dieses diagnostischen Schritts auf das Budget liegen zwischen 700 Mio.€ und 1.050 Mio.€. Bei rein ambulanter Diagnostik wären Einsparungen von 360 bis 540 Mio.€ möglich


AutorInnen
Alfred Müller, Analytic Services GmbH, München
Ralf Birkemeyer, Herzklinik Ulm, Ulm
Steffen Wahler, St Bernward GmbH