Vortragssitzung

Evaluation von Programmen und Richtlinien

Vorträge

Arbeitsunfähigkeitszeiten vor und nach der Strukturreform der Psychotherapie-Richtlinie: eine Analyse von Routinedaten der gesetzlichen Krankenversicherung im Projekt Eva PT-RL (Evaluation der Psychotherapie-Richtlinie)
Sandra Diekmann, Essener Forschungsinstitut für Medizinmanagement (EsFoMed) GmbH

Einleitung / Introduction

Die Psychotherapie-Richtlinie (PT-RL) gestaltet die Psychotherapie in der vertragsärztlichen Versorgung. Im Jahr 2017 wurde eine Strukturreform der PT-RL umgesetzt, mit dem Ziel, den Zugang zur Psychotherapie sowie den Behandlungs- und Versorgungsverlauf insgesamt zu verbessern. Neue Versorgungselemente, wie bspw. die psychotherapeutische Sprechstunde, wurden eingeführt. Zudem wurden Maßnahmen zur Rezidivprophylaxe initiiert sowie Anreize zur Förderung der Gruppentherapie gesetzt. Zur Evaluation dieser Strukturreform wird u.a. eine Analyse von Routinedaten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vorgenommen. Diese umfasst neben anderen Outcomes die Auswertung von Arbeitsunfähigkeitszeiten (AU-Zeiten) vor und nach der Reform bei Versicherten mit dem Krankheitsbild der Depression als einer der häufigsten psychischen Erkrankungen.

Methode / Method

Die Analyse erfolgt anhand anonymisierter Routinedaten zweier bundesweit tätiger GKVen. Eingeschlossen werden erwachsene Versicherte ab 21 Jahren mit einer erstmaligen Depressionsdiagnose (F32, F33, F34.1, F38.1) innerhalb der letzten 12 Monate als gesicherte Diagnose bzw. als Hauptentlassungsdiagnose im 1. Quartal 2016 (Zprä) oder im 1. Quartal 2018 (Zpost) sowie in mindestens einem späteren Quartal innerhalb der nächsten 12 Monate. In 2015 (Zprä) bzw. 2017 (Zpost) darf keine Depressionsdiagnose als gesicherte und/oder Hauptentlassungsdiagnose dokumentiert sein. Der Beobachtungszeitraum beträgt jeweils 1 Jahr. Die Auswertung der AU-Zeiten erfolgt nach Anzahl an AU-Bescheinigungen und der durchschnittlichen AU-Dauer in Tagen.

Ergebnisse / Results

Insgesamt können 284.773 Versicherte eingeschlossen werden (Zprä: n=149.941; Zpost: n=134.832). Das durchschnittliche Alter liegt bei 54,1 (Zprä) bzw. 53,2 Jahren (Zpost). Eine AU-Bescheinigung hatten insgesamt 108.477 Versicherte [38,1%] (Zprä: n=55.701 [37,1%]; Zpost: n=52.776 [39,1%]). Versicherte mit mindestens 1 AU-Bescheinigung hatten sowohl in Zprä als in Zpost durchschnittlich 2,9 AU-Bescheinigungen. Die durchschnittliche AU-Dauer für diese Versicherten stieg im Vergleich um ca. 1 Tag (Zprä: 71,85; Zpost: 72,89).

Zusammenfassung / Conclusion

Die Routinedatenanalyse stellt im Projekt Eva PT-RL zusammen mit weiteren Datenerhebungen die Grundlage für Empfehlungen zur Weiterentwicklung der psychotherapeutischen Versorgung in Deutschland dar. Eine Routinedatenanalyse von AU-Zeiten kann als ein Outcome für die Bewertung der Strukturreform auf die Patientenversorgung betrachtet werden. Dabei ist zu beachten, dass für eine Einordnung keine Information über die Tage in Erwerbsfähigkeit der Versicherten vorliegt und ein Zusammenhang mit der Reform unter Berücksichtigung weiterer Faktoren zu überprüfen ist.


AutorInnen
Sandra Diekmann, Essener Forschungsinstitut für Medizinmanagement (EsFoMed) GmbH
Sarah Schlierenkamp, Essener Forschungsinstitut für Medizinmanagement (EsFoMed) GmbH
Pauline zur Nieden, Essener Forschungsinstitut für Medizinmanagement (EsFoMed) GmbH
Gerald Lux, Essener Forschungsinstitut für Medizinmanagement (EsFoMed) GmbH
Anke Walendzik, Universität Duisburg-Essen, Lehrstuhl für Medizinmanagement
Carina Abels, Universität Duisburg-Essen, Lehrstuhl für Medizinmanagement
Klemens Höfer, Universität Duisburg-Essen, Lehrstuhl für Medizinmanagement
Jürgen Wasem, Universität Duisburg-Essen, Lehrstuhl für Medizinmanagement
Dieter Best, Deutsche Psychotherapeutenvereinigung (DPtV)
Kathrin Klipker, AOK-Bundesverband
Ursula Marschall, BARMER
Christa Schaff, Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland e.V.
Helene Timmermann, Vereinigung Analytischer Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten in Deutschland e.V.
Silke Neusser, Essener Forschungsinstitut für Medizinmanagement (EsFoMed) GmbH
Gesundheitsökonomische Evaluation des "Flying Intervention Teams" als neues Schlaganfall-Versorgungssystem im ländlichen Raum: Die TEMPiS-GÖA Studie
Marie Coors, Technische Universität München

Einleitung / Introduction

Der Schlaganfall gehört zu einer der häufigsten Ursachen für erworbene funktionelle und kognitive Behinderung, welche nicht nur eine Belastung für die Patient:innen und deren Angehörige darstellt, sondern auch mit hohen Gesundheitsausgaben einhergeht. Ein zentraler Faktor bei der Behandlung eines ischämischen Schlaganfalls ist die schnelle Wiederherstellung der Blutversorgung des betroffenen Hirnareals, da hierdurch kurz- und langfristige Beeinträchtigungen vermindert oder ganz vermieden werden können. Diese zeitsensitive Wiederherstellung der Blutversorgung stellt für Patienten:innen in ländlichen Regionen ein kritisches Moment dar, da eine flächendeckende Versorgung mit klassischen Stroke Units weder finanziell noch personell realisierbar ist. Die quasi-randomisierte Studie TEMPiS-FIT (TEMPiS - Flying Intervention Team) hat das Ziel, diese Versorgungslücke für ischämische Schlaganfallpatient:innen in ländlichen Regionen Südostbayerns zu schließen, indem ein Team von Interventionalisten per Hubschrauber direkt zu den Patient:innen in die regionalen TEMPiS-Krankenhäuser geflogen wird, anstatt die Patient:innen in das nächste Schlaganfallzentrum zu transportieren. Ziel der TEMPiS-GÖA Studie ist die ökonomische Evaluation von TEMPiS-FIT, um eine Aussage über die Kosteneffektivität der neuen Versorgungsform im Vergleich zur Regelversorgung treffen zu können.

Methode / Method

Die Kosten-Effektivitäts- und die Kosten-Nutzwert-Analyse werden sowohl aus Sicht der gesetzlichen Krankenversicherung als auch aus gesellschaftlicher Perspektive 12 Monate nach der Krankenhausentlassung der Patient:innen durchgeführt. Die direkten Kosten der ambulanten und stationären Versorgung werden aus Routinedaten der teilnehmenden Krankenkassen erhoben, während die medizinischen und nicht-medizinischen Kosten aus Patientensicht aus Primärdaten der TEMPiS-FIT Studie und Nachbefragungen gewonnen werden.

Ergebnisse / Results

Die Ergebnisse werden Aufschluss über die Kosteneffektivität des „Flying Intervention Teams“ sowohl aus Sicht der gesetzlichen Krankenversicherung als auch aus gesellschaftlicher Sicht geben. Die Verknüpfung von klinischen Daten und Routinedaten ermöglicht eine umfassende Erfassung der anfallenden Kosten und die systematische Validierung der Daten. Die Ergebnisse werden im Hinblick auf die Übertragbarkeit auf die Routineversorgung geprüft. Die Analyse der Daten für die gesundheitsökonomische Evaluation werden derzeit durchgeführt. Erste Resultate werden Anfang des Jahres generiert und zur Vorstellung auf der Konferenz erwartet.

Zusammenfassung / Conclusion

Die Kosten-Effektivitäts- und Kosten-Nutzwert-Analysen werden den Krankenkassen und Entscheidungsträgern wichtige Informationen liefern, um die Umsetzung der innovativen Versorgungsstruktur in Form des fliegenden Interventionalisten in ländlichen Gebieten zu bewerten.


AutorInnen
Marie Coors, Technische Universität München
Wiebke Schüttig, Technische Universität München
Ronja Flemming, Technische Universität München
Gordian Hubert, München Klinik Harlaching, TEMPiS - Telemedizinisches Schlaganfallnetzwerk Südostbayern
Nikolai Hubert, München Klinik Harlaching, TEMPiS - Telemedizinisches Schlaganfallnetzwerk Südostbayern
Leonie Sundmacher, Technische Universität München
Incentives for physical activity in cardiac patients in Germany: pre-trial health economic modelling
Damon Mohebbi

Einleitung / Introduction

Cardiovascular disease (CVD) is the most prevalent non-communicable disease and the leading cause of death globally. Evidence suggests that exercise-based interventions in secondary prevention can mitigate adverse health events. Implementing incentive schemes for patients to engage in physical activity (PA) might be a promising approach to improve adherence. The INPHY trial, a complex intervention that is currently being developed at the University Hospital Düsseldorf, aims at improving PA in people with coronary heart disease (CHD) using monetary and social incentives. The UK Medical Research Council (MRC) framework for the development and evaluation of complex interventions recommends pre-trial health economic modelling to inform the design of the trial.

Methode / Method

A decision-analytic Markov model was developed to evaluate the costs and benefits of exercise-based, incentivized secondary prevention interventions from a health services provider. A cohort of individuals with a history of myocardial infarction was followed in the model from age 65 years through a total of 25 1-year Markov cycles. Primary outcomes included costs, quality-adjusted life-years (QALY) gained and incremental cost-effectiveness ratios (ICERs). Sensitivity and scenario analyses were performed to reflect parameter and model uncertainty.

Ergebnisse / Results

In the base-case, the incremental QALYs gained from the monetary and social incentives, relative to control, were respectively estimated at 0.01 [95% CI 0.00-0.01] and 0.03 [95% CI 0.02-0.05]. In comparison to control, the implementation of the monetary and social incentive interventions increased the costs by 795€ [95% CI 697-884] and 831€ [95% CI 593-1,191], respectively. ICERs were 24,473€ [95% CI 15,871-38,868] and 112,015€ [95% CI 81,140-169,888] per QALY gained for the social and monetary incentive interventions, respectively. At a per-capita gross domestic product threshold (GDP) of 43,000€/QALY for Germany, the probability that the social and monetary incentive intervention would be seen as cost effective was 100% and 0%, respectively.

Zusammenfassung / Conclusion

Exercise-based secondary prevention using incentivized reinforcement schemes might offer a cost-effective strategy to reduce the burden of CHD, offering good value for money in preventing a significant non-communicable disease. Translation of these findings into policy and practice alongside rigorous monitoring and evaluation is important. More epidemiological research from Germany is recommended to reduce the remaining model uncertainty surrounding this decision.


AutorInnen
Damon Mohebbi, University Hospital Düsseldorf & German Diabetes Center
Katherine Ogurtsova, University Hospital Düsseldorf
Jan Dyczmons, German Diabetes Center
Charalabos-Markos Dintsios, University Hospital Düsseldorf
Nadja Kairies-Schwarz, University Hospital Düsseldorf
Andrea Icks, University Hospital Düsseldorf & German Diabetes Center
The causal effect of Organised Screening Programmes in Europe on screening uptake: Evidence for colorectal cancer
Sophie Guthmuller, Wirtschaftsuniversität Wien

Einleitung / Introduction

In Europe, cancer is the second most common causes of death after cardiovascular diseases. In many cases, cancer is avoidable and early detection is key to increase the chance of cure. For that reason, several countries in Europe introduced organised screening programmes (OSP) for breast, cervical, and colorectal cancer. An OSP defines the eligible population, the screening intervals and type of examinations. Within an OSP, the eligible population is identified and systematically invited to each round of screening. Among cancer types, colorectal cancer is the most common type of cancer and the second most frequent cause of cancer death. Contrary to breast cancer, the implementation of OSP for colorectal cancer in European member states is less frequent (7 member states had introduced an OSP in 2016, compared to 21 for breast cancer (Basu et al. 2018)). with the exception of the region of Burgenland, in which an OSP was introduced in 2003. In European countries with an OSP, the eligible population is regularly invited to a faecal occult blood testing.

Methode / Method

The implementation characteristics of the OSP for colorectal cancer in European countries i.e. systematic screening, stool kit received at home, etc, offer interesting aspects to study the causal effect of OSP on screening uptake and the profile of the non-takers. To identify the causal impact of the programme, we exploit the heterogeneity in the availability of OSP across regions in Europe in a Difference-in Differences framework. The analysis is based on two data sources; (1) regional information on OSP characteristics, (2) individual information on screening uptake, health status, and socioeconomic and geographic characteristics from the European Health Interview Survey.

Ergebnisse / Results

First results show that OSP significantly increases screening uptake and screening increases with education, income, degree of urbanization, and size of the family. Further analyses find that OSP helsp reducing these socioeconomic inequalities in screening uptake. We show that this early detection programme has a different effect for women compared to men, with concordance effects among couples, especially if women go screen. Finally, we will try to disentangle the effect of the screening examination itself from the propensity to participate in cancer prevention, by comparing take-up in breast cancer to take-up in colorectal cancer screening among women.

Zusammenfassung / Conclusion

To the best of our knowledge, this study is the first measuring the effect of systematic screening programmes for colorectal cancer at the European level, and therefore will provide new evidence of the effectiveness of OSP for the early detection of cancer. The results will help improving the design and implementation strategies of these screening programmes to reduce non-take-up.


AutorInnen
Sophie Guthmuller, Wirtschaftsuniversität Wien, Austria
Vincenzo Carrieri, Magna Græcia University, Italy
Ansgar Wübker, Hochschule Harz, Germany