Vortragssitzung

Versorgungsforschung im ambulanten Sektor

Vorträge

Vorstellung von Befragungen mit Discrete-Choice-Experimenten zur Erhebung von Präferenzen für die optimale Ausgestaltung von Videosprechstunden in der ambulanten Versorgung
Lara Kleinschmidt, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen

Einleitung / Introduction

Zur Entwicklung einer Strategie für den präferenzgerechten Einsatz von Videosprechstunden (VS) in ländlichen und städtischen Regionen wird in dem Forschungsprojekt PräVi ein Mixed-Methods-Ansatz genutzt, in dessen Fokus Befragungen mit Discrete-Choice-Experimenten (DCE) stehen. Ziel dieser Befragungen ist es, die Präferenzen für die Ausgestaltung von VS von Versicherten sowie ärztlichen und psychotherapeutischen Leistungserbringenden zu erheben.

Methode / Method

Zur Erstellung des Fragebogens wurden im Vorfeld eine systematische Literaturrecherche sowie Fokusgruppeninterviews durchgeführt. Für beide Befragungen wurde jeweils ein Fragebogen mit drei Abschnitten konzipiert (Erfahrungen und Einstellungen zur VS; Präferenzerhebung mittels DCE; soziodemographische und gesundheitsbezogene Angaben). Für das DCE in der Versichertenbefragung wurden fünf Attribute (möglicher Zeitraum für die VS; Wartezeit bis zur VS; Wartezeit im digitalen Wartezimmer; Wahlmöglichkeit; maximale Gesprächsdauer) und für das DCE in der Befragung der Leistungserbringenden vier Attribute (Beziehung zum Patienten; Vergütung im Vergleich zum persönlichen Kontakt; Unterstützung bei Technikproblemen; angebotener Zeitraum der VS) ausgewählt. Es wurden D-effiziente Designs mit 16 Tasks für die Versicherten und 9 Tasks für die Leistungserbringenden entworfen, die jeweils in zwei Blöcke unterteilt wurden. Befragt werden 33.600 zufällig ausgewählte Versicherte der am Projekt beteiligten Krankenkassen (Techniker Krankenkasse, AOK Nordost, AOK NordWest) sowie alle Mitglieder der Kassenärztlichen Vereinigungen Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe (n=31.900).

Ergebnisse / Results

Die Befragung startet im November 2022. Daher würde bei der 15. dggö Jahrestagung 2023 eine Präsentation zur Konzeption der Befragungen mit besonderem Fokus auf die DCE-Methodik erfolgen. Falls zu diesem Zeitpunkt bereits erste Ergebnisse der Befragungen vorliegen, werden diese ebenfalls präsentiert. Die Auswertung erfolgt in Bezug auf mögliche Hürden und Präferenzen. Es werden sowohl deskriptive Verfahren als auch logistische Regressionsanalysen durchgeführt. Zielvariable des DCE ist die Wahlentscheidung der Probanden für einen von zwei Stimuli. Als erklärende Variablen gehen die Attribute bzw. deren Levels sowie die Charakteristika der Probanden ein. Um die relative Bedeutung der einzelnen Attribute zu ermitteln, wird ein Linear-Difference-Modell angewendet.

Zusammenfassung / Conclusion

Mit den hier vorgestellten Befragungen soll eine zielgerichtete Einsatzstrategie für VS, die an den tatsächlichen Präferenzen von Versicherten und Leistungserbringenden anknüpft und mögliche Hürden berücksichtigt, entwickelt werden. Damit wird ein Beitrag zu einer nutzer- und anbieterorientierten Weiterentwicklung des Videosprechstundeneinsatzes in der GKV geleistet.


AutorInnen
Theresa Hüer, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen
Klemens Höfer, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen
Anke Walendzik, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen
Multimodale Therapie im Kontext der Langzeitanwendung von Opioiden bei chronischen, nicht-tumorbedingten Schmerzen: Einschätzungen aus Ärzteperspektive
Milena Weitzel, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen

Einleitung / Introduction

Im Rahmen der Therapie von chronischen, nicht-tumorbedingten Schmerzen wurden in den letzten Jahren in Deutschland zunehmend opioidhaltige Analgetika (OA) eingesetzt. Eine medikamentöse Monotherapie mit OA wird in der S3-Leitlinie zur Langzeitanwendung von Opioiden bei chronischen, nicht-tumorbedingten Schmerzen nicht empfohlen, vielmehr sollen OA ergänzend bspw. im Rahmen einer multimodalen Schmerztherapie (MMST) zum Einsatz kommen. Hierbei sollen eine eng abgestimmte Diagnostik und Therapie zwischen (schmerz)behandelnden Ärzten sowie Psycho- und Physiotherapeuten stattfinden. Die vorliegende Untersuchung ist Teil der Studie Op-US (Opioidhaltige Analgetika – Untersuchung zu Entwicklungstrends in der Versorgung bei nicht-tumorbedingten Schmerzen), welche durch den Innovationsfonds des G-BA gefördert wird (Förderkennz. 01VSF19059). Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, die Einstellungen von Ärzten zur MMST im Allgemeinen sowie hinsichtlich der Psycho- und Physiotherapie inklusive möglicher Hemmnisse bei der Umsetzung zu identifizieren.

Methode / Method

Im Rahmen einer anonymen Querschnittserhebung wurden 1.854 Ärzte mittels eines standardisierten Fragebogens angeschrieben. Die Zahl der Befragten setzt sich aus einer Zufallsstichprobe von 1.300 Ärzten sowie 554 Mitgliedern des Berufsverbandes der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland zusammen. Die Zufallsstichprobe beinhaltete Hausärzte, Neurologen, Orthopäden sowie Unfallchirurgen, die Teilnehmer des Berufsverbandes waren vorwiegend Anästhesisten. Die Befragung erfolgte zwischen September 2021 und April 2022. Inhalte des Fragebogens waren neben soziodemographischer Daten unter anderem Hemmnisse und Hürden einer leitliniengerechten Versorgung.

Ergebnisse / Results

Insgesamt konnten 422 gültige Fragebögen eingeschlossen werden. 78% der Teilnehmer stimmten der Aussage voll oder eher zu, die MMST sei in der ambulanten Regelversorgung notwendig. Es konnten jedoch Probleme bei der Umsetzung festgestellt werden. Besonders im Bereich der Physiotherapie konnte eine große Diskrepanz zwischen der wahrgenommenen Notwendigkeit und der Möglichkeit einer ausreichenden Verschreibung identifiziert werden. So gaben 71% der Ärzte an, eine ausreichende Verschreibung von Physiotherapie sei nicht möglich. Schwierigkeiten in der Praxis zeigten sich auch im Bereich der Psychotherapie. 80% der Studienteilnehmer gaben bspw. an, eine psychotherapeutische oder psychiatrische Ersteinschätzung sei in angemessener Zeit nicht oder eher nicht realisierbar.

Zusammenfassung / Conclusion

Die Untersuchung zeigt Handlungsbedarf im Bereich der MMST auf und stellt die Grundlage zur Entwicklung von Handlungsempfehlungen zu Verbesserung der Versorgungssituation im Zuge des Op-US-Projektes dar.


AutorInnen
Milena Weitzel, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen
Nils Schrader, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen
Anja Niemann, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen
Christian Speckemeier, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen
Carina Abels, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen
Nikola Blase, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen
Godwin Giebel, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen
Cordula Riederer, DAK-Gesundheit
Joachim Nadstawek, Berufsverband der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland – BVSD e.V.
Wolfgang Straßmeir, Berufsverband der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland – BVSD e.V.
Jürgen Wasem, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen
Silke Neusser, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen
ATP Arztnetze – Arbeitsteilung und Performance empirischer und organisierter Netzwerke im ambulanten Sektor in Deutschland
Philip Bammert

Einleitung / Introduction

In den letzten 25 Jahren hat der Gesetzgeber eine stärkere Vernetzung von niedergelassenen Ärzten in Arztnetzen ermöglicht. So wurde beispielsweise im zweiten Neuordnungsgesetz der gesetzlichen Krankenversicherung die Möglichkeit der Arztnetze als Strukturverträge und Modellvorhaben verankert. Bisher gibt es jedoch nur wenige Untersuchungen zu der Frage, inwieweit Arztnetze stärker über gemeinsam versorgte Patienten vernetzt sind und bessere Outcomes erzielen als die Leistungserbringer der Regelversorgung. Das vorliegende durch den Innovationsfonds finanzierte Projekt hatte daher zum Ziel, die Performance und Arbeitsteilung von Arztnetzen im Vergleich zur Regelversorgung in Deutschland zu evaluieren.

Methode / Method

Als Endpunkte der Evaluation wurden Raten ambulant-sensitiver Notfälle sowie Prozessindikatoren der vertragsärztlichen Versorgung herangezogen. Es wurde ein quasi-experimentelles Design gewählt, das eine Vergleichbarkeit der nichtrandomisierten Gruppen der Arztnetze und Praxen in der Regelversorgung erlaubt. Ein Propensity-Score Matching wurde an einem verknüpften Datensatz mit Arztnetzen der Kassenärztlichen Vereinigungen Bayerns, Westfalen-Lippe sowie Brandenburg durchgeführt.

Ergebnisse / Results

Patienten von Arztnetzen unterscheiden sich hinsichtlich der primären Outcomes – ambulant-sensitive Krankenhausfälle und ambulant-sensitive Notfälle – nicht signifikant von Patienten der Regelversorgung. Ausgewählte Prozessindikatoren liefern jedoch Hinweise, dass die Patienten in Arztnetzen mehr Leistungen im Bereich der primären Prävention erhalten. Auch Indikatoren, welche die Güte der Koordination von Patienten approximieren sollen, schneiden in Arztnetzen besser ab. Die Patienten in Arztnetzen werden meist kontinuierlicher behandelt, es werden mehr zielgerichtete Überweisungen zu Fachärzten ausgestellt und es werden mehr Patienten aus Arztnetzen in Disease Management Programme eingeschrieben. Insgesamt werden in Arztnetzen mehr Fachärzte in Anspruch genommen. Mit dieser höheren Versorgungsintensität in Arztnetzen gehen auch höhere Raten von Polymedikation einher.

Zusammenfassung / Conclusion

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie können genutzt werden, um Stärken und mögliche Schwächen von Artnetzen zu identifizieren: Arztnetze schneiden besser im Bereich der Präventions- und Koordinationsqualität ab. Demgegenüber stehen höhere Raten der Polymedikation im Vergleich zu der Regelversorgung.


AutorInnen
Philip Bammert