Vortragssitzung

Schlaganfall und Herz-Kreislaufstörungen

Vorträge

Inanspruchnahme und Kosten von Gesundheitsleistungen im Rahmen eines telefonischen Gesund-heitscoachings bei peripher arterieller Verschlusskrankheit (TeGeCoach): Ergebnisse einer randomisierten kontrollierten Studie
Dirk Heider, Institut für Gesundheitsökonomie und Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg Center for Health Economics, Hamburg

Einleitung / Introduction

Die periphere Arterienerkrankung (pAVK) ist die dritthäufigste atherosklerotische Herz-Kreislauf-Erkrankung. Im Jahr 2016 überstiegen die mit der pAVK verbundenen Kosten pro Patient sogar die Kosten bei koronarer Herzkrankheit. Obwohl weltweit mehr als 200 Millionen Menschen betroffen sind, gibt es keinen klaren Konsens darüber, welche Komponenten in häuslichen Trainingsprogrammen für Patienten mit peripherer Arterienerkrankung am besten geeignet sind. Ziel der Studie war es, die Inanspruchnahme und die Kosten von Gesundheitsleistungen, die durch das 12-monatige patientenzentrierte Programm 'Telephone Health Coaching and Remote Exercise Monitoring for Peripheral Artery Disease' (TeGeCoach) verursacht werden, in einer randomisierten kontrollierten Studie mit der Regelversorgung zu vergleichen, nachdem bereits eine signifikante Verringerung der patientenberichteten Symptombelastung durch die Intervention zu beobachten war.

Methode / Method

Es handelt sich um eine zweiarmige, parallele, offene, pragmatische, randomisierte, kontrollierte klinische Studie (TeGeCoach) bei drei deutschen gesetzlichen Krankenkassen mit Nachuntersuchungen nach 12 und 24 Monaten. Endpunkte waren der Medikamentenverbrauch (definierte Tagesdosen), Krankenhaustage, Krankengeldtage und Kosten aus Sicht der Krankenkassen. Für die Analysen wurden die Leistungsdaten der teilnehmenden Krankenversicherungen verwendet. Der wichtigste analytische Ansatz war eine Intention-to-treat-Analyse (ITT). Andere Ansätze (modifizierte ITT, per Protokoll und As treated) wurden zusätzlich als Sensitivitätsanalyse durchgeführt. Es wurden Regressionsmodelle mit randomisierten Effekten berechnet, um Difference-in-Difference (DD)-Schätzer für das erste und zweite Jahr der Nachbeobachtung zu ermitteln. Zusätzlich wurden bestehende Baselineunterschiede zwischen beiden Gruppen mit Entropie Balancing behandelt, um zusätzlich die Stabilität der berechneten Schätzer zu überprüfen.

Ergebnisse / Results

1.685 Patienten (Interventionsgruppe (IG) = 806; Kontrollgruppe (CG) = 879) wurden in die ITT-Analysen einbezogen. Die Analysen zeigten nicht-signifikante negative Effekte der Intervention auf die Kosten (erstes Jahr: -352€; zweites Jahr: -215€). Die Sensitivitätsanalysen bestätigten die primären Ergebnisse und zeigten noch größere Kostenreduktionen.

Zusammenfassung / Conclusion

Basierend auf den Daten der Krankenkassen konnte keine signifikante Reduktion der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen und der Kosten bei Patienten mit pAVK durch das häusliche TeGeCoach-Programm festgestellt werden. Dennoch zeigte sich in allen Sensitivitätsanalysen eine Tendenz zu einem nicht-signifikanten kostensenkenden Effekt.


AutorInnen
Dirk Heider, d.heider@uke.de
Farhad Rezvani, Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg
Herbert Matschinger, Institut für Gesundheitsökonomie und Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg Center for Health Economics, Hamburg
Jörg Dirmaier, Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg
Martin Härter, Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg
Lutz Herbarth, KKH Kaufmännische Krankenkasse, Hannover
Patrick Steinisch, KKH Kaufmännische Krankenkasse, Hannover
Anika Zapfe, KKH Kaufmännische Krankenkasse, Hannover
Hannes Böbinger, TK Techniker Krankenkasse, Hamburg
Franziska Schuhmann, TK Techniker Krankenkasse, Hamburg
Gundula Krack, mhplus Krankenkasse, Ludwigsburg
Thomas Korth, IEM GmbH, Aachen
Lara Thomsen, Philips GmbH, Hamburg
Daniela Patricia Chase, Philips GmbH, Hamburg
Robert Schreiber, Philips GmbH, Hamburg
Mark-Dominik Alscher, Robert Bosch Gesellschaft für medizinische Forschung mbH, Stuttgart
Benjamin Finger, Robert Bosch Gesellschaft für medizinische Forschung mbH, Stuttgart
Hans-Helmut König, Institut für Gesundheitsökonomie und Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg Center for Health Economics, Hamburg
Aufgriff des Schlaganfall- und Blutungsrisikos von Patient:innen mit Vorhofflimmern in GKV-Routinedaten
Eric Faß, Wissenschaftliches Institut für Gesundheitsökonomie und Gesundheitssystemforschung (WIG2), Leipzig

Einleitung / Introduction

Vorhofflimmern (VHF) ist eine der häufigsten Herzrhythmusstörungen und betrifft jeden vierten Erwachsenen mittleren Alters im Laufe seines Lebens. VHF-Patienten weisen ein etwa 5-fach erhöhtes Schlaganfallrisiko auf und 15% bis 25% aller Schlaganfälle sind auf VHF zurückzuführen. Die orale Pharmakotherapie mit Antikoagulantien und neuen oralen Koagulantien stellt zwar eine wirksame Prävention des Schlaganfalls dar, kann aufgrund der Kombination des medikamentös bedingten erhöhten Risikos schwerwiegender Blutungen und weiterer Risikofaktoren mitunter jedoch nicht in Anspruch genommen werden. Um das Risiko für Schlaganfälle und Blutungen einschätzen zu können, werden klinische Scores herangezogen: der CHA2DS2-VASc-Score zur Beurteilung des Schlaganfall- und der HAS-BLED-Score zur Einschätzung des Blutungsrisikos. EvaClosure, eine Substudie der multizentrischen klinischen Studie CLOSURE-AF-DZHK16, zielt auf eine gesundheitsökonomische Evaluation des perkutanen, katheterbasierten Verschlusses des linken Vorhofohrs bei VHF-Patient:innen mit hohem Schlaganfall- und Blutungsrisiko. Als Datengrundlage dienen sowohl klinische Primär- als auch GKV-Routinedaten; ein direktes Linkage dieser Daten ist nicht möglich. Daher wird auf statistische Matching-Verfahren zurückgegriffen, mit denen ein Aufgriff einer zur Population der klinischen Studie möglichst ähnlichen Routinedatenpopulation angestrebt wird. Der vorliegende Beitrag stellt die Abbildung der beiden klinischen Scores innerhalb der GKV-Routinedaten dar.

Methode / Method

Aus den Definitionen der klinischen Parameter der beiden Scores wurde ein Aufgriff in GKV-Routinedaten abgeleitet, mit klinischen Expert:innen diskutiert und auf Basis longitudinaler GKV-Routinedaten von Patient:innen mit VHF umgesetzt. Die Güte der Scores hinsichtlich der Prädiktion der Zielereignisse wird über (logistische) Regressionsanalysen eingeschätzt. Anschließend werden mittels Machine-Learning-Verfahren Modifikationspotenziale zur bestmöglichen Prädiktion der Zielereignisse identifiziert.

Ergebnisse / Results

Problematische Einzelbeiträge der abgeleiteten klinischen Parameter auf die Güte der Scores wurden identifiziert. Eine Beurteilung der Optimierungspotenziale steht noch aus, wird zum Zeitpunkt der Konferenz jedoch vorliegen.

Zusammenfassung / Conclusion

Sowohl auf klinischen Primärdaten als auch GKV-Routinedaten basierende gesundheitsökonomische Evaluationen bergen besondere methodische Herausforderungen, insbesondere wenn diese Daten nicht direkt verknüpft werden können. Ein statistisches Matching kann diesen Herausforderungen begegnen, hierfür ist eine möglichst exakte Abbildung der Ein- und Ausschlusskriterien der klinischen Studie für den Aufgriff der GKV-Routinedatenpopulation essentiell.


AutorInnen
Marco Müller, Wissenschaftliches Institut für Gesundheitsökonomie und Gesundheitssystemforschung (WIG2), Leipzig
Eric Faß, Wissenschaftliches Institut für Gesundheitsökonomie und Gesundheitssystemforschung (WIG2), Leipzig
Franziska Claus, Wissenschaftliches Institut für Gesundheitsökonomie und Gesundheitssystemforschung (WIG2), Leipzig
Ulf Landmesser, Medizinische Klinik für Kardiologie, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin
Ines Weinhold, Wissenschaftliches Institut für Gesundheitsökonomie und Gesundheitssystemforschung (WIG2), Leipzig
Ist Mobilität nach einem Schlaganfall genauso wichtig wie Kommunikation? Präferenzgewichtung ausgewählter Elemente der International Classification of Functioning, Disability & Health (ICF)
Christin Juhnke, Hochschule Neubrandenburg / FB Gesundheit, Pflege, Management

Einleitung / Introduction

Die International Classification of Functioning, Disability und Health (ICF) wird häufig zur Messung von Rehabilitationsergebnissen verwendet und weist jedem Element das gleiche Gewicht zu. Sie berücksichtigt nicht, wie Patienten mögliche Verbesserungen bewerten. Ziel ist es, zu untersuchen, inwieweit sich präferenzgewichtete Elemente der ICF von ungewichteten Zuordnungen unterscheiden, die derzeit bei Behandlungsentscheidungen verwendet werden.

Methode / Method

In drei Wahlexperimenten auf Basis des Best-Worst-Scalings werden die für Schlaganfallpatienten relevanten ICF-Dimensionen der Funktion (BWS II, 36 Items), des Neglects (BWS III, 6 Attribute, 3 Stufen) und der Aktivitäten des täglichen Lebens (BWS I, 34 Items) analysiert. Es werden sowohl Schlaganfallpatienten als auch die Öffentlichkeit befragt. Für alle Erhebungen werden fraktionierte, effiziente Designs verwendet (Randomisierung, forced choice). Conditional und multinominale Logit-Analysen werden als Hauptanalyseverfahren verwendet.

Ergebnisse / Results

N=1112 Teilnehmer wurden bis Oktober2022 rekrutiert. In BWS I (Aktivitäten) werden Attribute der Selbstversorgung am höchsten bewertet, während Gemeinschafts-, soziales und bürgerliches Leben von geringerer Bedeutung sind. Bei BWS II (Funktionen) ist die Gewährleistung eines funktionierenden Bewegungsmusters der kurzfristige Schwerpunkt der Rehabilitation (SQRT: 1,462), während die Muskelausdauer am wenigsten relevant scheint (SQRT: 0,747). In BWS III (Neglect) ist die Orientierung zu anderen Personen am wichtigsten (LD: 0,3979). Der Wert, der hier bei der Verbesserung von der größten zur geringsten Schädigung erreicht wird, ist am höchsten.

Zusammenfassung / Conclusion

Wenn Funktionsverbesserungen Auswirkungen auf Aktivitäten haben und diese Auswirkungen auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität haben, stellt sich die Frage, wie der Wert von Funktionen gemessen werden kann. Die vorläufigen Ergebnisse zeigen, dass, anders als in der ICF, Körperfunktionen und Aktivitäten von den Betroffenen nicht gleich gewichtet werden. Die Ergebnisse offenbaren Unterschiede zwischen den Beurteilungen der Öffentlichkeit und der derzeitigen klinischen Praxis, in der alle Ergebnisse gleich gewichtet werden. Dies unterstreicht den Bedarf an präferenzbasierten Ergebnisbewertungen.


AutorInnen
Christin Juhnke, Hochschule Neubrandenburg / FB Gesundheit, Pflege, Management
Axel Mühlbacher, Hochschule Neubrandenburg / FB Gesundheit, Pflege, Management