Vortragssitzung

Vergütung und Komplikationsvermeidung

Vorträge

Was darf ein Bundled Payment kosten? Eine Kostenanalyse von Patientinnen und Patienten mit Linksherzinsuffizienz mit GKV-Routinedaten
Ann-Kathrin Klähn, inav - privates Institut für angewandte Versorgungsforschung GmbH
Matthias Arnold, inav - privates Institut für angewandte Versorgungsforschung GmbH

Einleitung / Introduction

Im Rahmen des Innovationsfonds wird im Projekt sekTOR-HF ein sektorenübergreifendes Vergütungskonzept für Patientinnen und Patienten mit Linksherzinsuffizienz entwickelt. Diese Bundled Payment-Konzeption wird auf Basis von GKV-Routinedaten berechnet. Ziel der Kostenanalyse ist es, die Kostentreiber zu identifizieren, Faktoren für Extremkostenverläufe, sogenannte Bundle Breaker, zu erkennen, den Preis des Bundled Payments zu bestimmen und Vorschläge für Auf- oder Abschläge des Bundled Payment-Preises zu machen.

Methode / Method

Aus Daten der InGef Forschungsdatenbank wurden prävalente Patienten mit kodierten NYHA-Stadien 1-4 (ICD-10 50.11-14) im Jahr 2018 identifiziert. Soziodemographische (Alter und Geschlecht) und klinische Charakteristika (Komorbiditäten, Medikation) und Kosten bestehend aus ambulanter Leistungserbringung und krankheitsspezifischer stationärer Leistungserbringung wurden stratifiziert nach NYHA-Stadien ausgewertet. Die Kostenanalyse nutzt ein verallgemeinertes lineares Model mit Gamma-Verteilung und log link, um die Höhe der risikoadjustierten Marginalkosten zu berechnen.

Ergebnisse / Results

Die Forschungsdatenbank umfasste eine prävalente Population von 87.048, mit einer Geschlechtsverteilung von 41.388 Patientinnen zu 45.660 Patienten. Das Durchschnittsalter der prävalenten Population betrug 75 Jahre, bzw. 73 Jahre bei männlichen Patienten und 77 Jahre bei weiblichen Patienten. Die Kostenanalyse schätzt, dass eine durchschnittliche weibliche Patientin im Alter von 77 Jahren ohne weitere Komorbiditäten im Stadium NYHA1 1.143€ pro Jahr kostet. Eine vergleichbare Patientin in NYHA2 kostet 1.436€, 2.207€ in NYHA3 und 5.265€ in NYHA4. Männliche Patienten kosten zwischen 7 und 11% mehr. Die Kosten der Behandlung der Linksherzinsuffizienz sind stark von Komorbiditäten abhängig. Die wichtigsten Komorbiditäten waren Leukämie mit bis zu 3,5-Mal höheren Kosten, Niereninsuffizienz mit 3-Mal höheren Kosten, sowie Pneumonie und Grippe mit 1,7 bis 1,9 höhere Kosten.

Zusammenfassung / Conclusion

Für die Akzeptanz eines Bundled Payment muss die Risikoteilung zwischen Leistungserbringer und den gesetzlichen Krankenkassen explizit benannt werden. Die Kostenanalyse zeigt, dass die Kosten einer Behandlungsepisode selbst bei gleichem NYHA-Stadium stark von Komorbiditäten abhängen. Wir schlagen deshalb vor, wichtige Komorbiditäten mit Risikoaufschlägen zu versehen.


AutorInnen
Ann-Kathrin Klähn, inav - privates Institut für angewandte Versorgungsforschung GmbH
Matthias Arnold, inav - privates Institut für angewandte Versorgungsforschung GmbH
Josephine Jacob, InGef - Institut für angewandte Gesundheitsforschung Berlin GmbH
Leonore Bovy, InGef - Institut für angewandte Gesundheitsforschung Berlin GmbH
Hans-Joachim Conrad, PriMa e.G.
Lisa Müller, RHÖN-KLINIKUM AG
Volker Amelung, inav - privates Institut für angewandte Versorgungsforschung GmbH
Ist Prähabilitation gegenüber der Standardversorgung vor einer elektiven Operation kosteneffektiv? Ein systematisches Review von gesundheitsökonomischen Evaluationen
Helene Eckhardt, Fachgebiet Management im Gesundheitswesen, Technische Universität Berlin

Einleitung / Introduction

Ziel der Prähabilitation ist die Verbesserung der funktionalen Kapazitäten von Patient*innen vor einer Operation, um perioperative Komplikationen zu vermeiden und die Genesung zu fördern. Prähabilitationsprogramme können somit potenziell Kosten einsparen. Ziel dieser systematischen Übersichtsarbeit war es, zu untersuchen, ob Prähabilitationsprogramme vor elektiven Operationen im Vergleich zur Standardversorgung kosteneffektiv sind.

Methode / Method

Es wurde eine systematische Recherche nach Studien, welche die (Kosten-)Effektivität der Prähabilitation verglichen zur Standardversorgung untersuchen, in PubMed, Embase, der CRD-Datenbank und in Studienregistern am 31.08.2021 durchgeführt. Die Dissertationsdatenbanken OADT und DART wurden am 30.10.2021 durchsucht. Eingeschlossen wurden vollständige/partielle sowie studien-/modellbasierte ökonomische Evaluationen (ÖE), unabhängig vom Veröffentlichungsjahr, Sprache, Herkunftsland sowie Veröffentlichungsstatus. Das Verzerrungspotenzial bei studienbasierten ÖE wurde mit dem Cochrane Risk of Bias 2 Tool oder dem ROBINS-I Tool bewertet. Die Ergebnissynthese erfolgte narrativ mittels „Vote Counting“ basierend auf der Effektrichtung. Registrierung: PROSPERO CRD42020182813.

Ergebnisse / Results

Es wurden 22 abgeschlossene ÖE mit 9.995 Patient*innen sowie 26 laufende Studien eingeschlossen. Von den abgeschlossenen ÖE kamen 8 aus Asien, 8 aus Europa und 6 aus Nordamerika. Darunter befanden sich 6 vollständige ÖE: 3 Kosten-Nutzwert-Analysen (CUA) und 3 Kosten-Wirksamkeits-Analysen (CEA); die verbleibenden partiellen ÖE umfassten 11 Kosten-Konsequenz-Analysen (CCA) und 5 Kosten-Minimierungs-Analysen (CMA). Die eingeschlossenen ÖE wurden aus verschiedenen Perspektiven und über unterschiedliche Zeithorizonte (Spanne: 14 Tage - 24 Monate) durchgeführt. Basierend auf der Effektrichtung (inkrementelle Kosten und Effektivität) zeigten 11 ÖE (2 CUA; 2 CEA; 7 CCA), dass die Prähabilitation gegenüber der Standardversorgung eine höhere Effektivität bei niedrigeren Kosten hat. 3 ÖE (1 CUA; 1 CEA; 1 CCA) zeigten höhere Effektivität bei höheren Kosten. 4 CMA zeigten niedrigere Kosten und eine CMA zeigte höheren Kosten. 3 CCA hatten inkonsistente Ergebnisse.

Zusammenfassung / Conclusion

Sowohl die eingeschlossenen ÖE als auch die Prähabilitationsprogramme waren sehr heterogen. Außerdem sind viele der eingeschlossenen Studien noch nicht abgeschlossen. Daher können die vorliegenden Ergebnisse noch nicht verallgemeinert werden. Die Mehrheit der eingeschlossenen ÖEs, darunter 2 CUA, zeigte jedoch eine Überlegenheit der Prähabilitation gegenüber der Standardversorgung. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Prähabilitationsprogramme vor elektiven Operationen im Vergleich zur Standardversorgung kosteneffektiv sind.


AutorInnen
Tanja Rombey, Fachgebiet Management im Gesundheitswesen, Technische Universität Berlin
Helene Eckhardt, Fachgebiet Management im Gesundheitswesen, Technische Universität Berlin
Jörn Kiselev, Fachgebiet Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative Intensivmedizin (CCM, CVK), Charité – Universitätsmedizin Berlin
Wilm Quentin, Fachgebiet Management im Gesundheitswesen, Technische Universität Berlin
Vergütung von ambulanten Leistungen im internationalen Vergleich
Helene Eckhardt, Fachgebiet Management im Gesundheitswesen, Technische Universität Berlin

Einleitung / Introduction

Viele Gesundheitssysteme leiden unter steigenden Ausgaben und ineffizientem Ressourceneinsatz. Die vermehrte Verlagerung stationärer Leistungen in den ambulanten Bereich kann dazu beitragen, dem Ausgabenwachstum zu begegnen. Zumal der technische Fortschritt eine Verlagerung einer zunehmenden Zahl an diagnostischen, therapeutischen und operativen Leistungen in den ambulanten Sektor ermöglicht. Verschiedene Faktoren können die Verlagerung der Leistungserbringung in das ambulante Setting beeinflussen. Ziel dieser Arbeit bestand in der Untersuchung der Ausgestaltung von Krankenhausvergütungssystemen und der Identifizierung von finanziellen Anreizen für ambulante Leistungen in einer Auswahl von Ländern.

Methode / Method

Grundlage bildeten strukturierte Recherchen zu nationalen Leistungskatalogen und Tarifsystemen sowie Berichten von Fachgesellschaften im Bereich der Tageschirurgie in der Zeit zwischen Juni 2020-November 2022, ergänzt durch Literaturrecherchen in medizinisch-bibliographischen Datenbanken und ExpertInnenbefragungen (Zeitraum: Oktober 2020 - Juli 2022). Ausgehend von der Höhe der ambulanten Fallzahlen oder vom Wachstum dieser seit 2000 sind in die Auswahl 12 Länder gekommen: Dänemark (DK), England (ENG), Finnland (FI), Frankreich (FR), Kanada (CA), Niederlande (NL), Norwegen (NO), Österreich (AT), Schweden (SE), Schweiz (CH) und die USA durchgeführt.

Ergebnisse / Results

Krankenhäuser werden zu einem großen Anteil in 8 von 11 Ländern landesweit nach Diagnosis-Related Groups (DRGs) vergütet. In 3 Ländern (CA, FI, SE) werden DRGs uneinheitlich auf der regionalen Ebene oder sogar nur in einzelnen Krankenhäusern eingesetzt. Die Vergütung von ambulanten Leistungen ist in 9 von 11 Ländern in ein gemeinsames DRG-System integriert. In NO existiert ein separates Klassifikationssystem für Leistungen, die sektorenunabhängig erbracht werden können. In USA und AT werden ambulante Leistungen im Rahmen eines separaten DRG-Systems vergütet. In CH werden ambulante Leistungen außerhalb des DRG-Systems vergütet. Explizite finanzielle Anreize in Form eines höheren Preises konnten nur in ENG identifiziert werden. Gleicher Preis (explizit oder implizit) konnte in 5 Ländern (AT, DK, ENG, FR, NO) identifiziert werden. In anderen Ländern konnten keine finanziellen Anreize für die Leistungserbringer zur Förderung ambulanter Leistungserbringung identifiziert werden.

Zusammenfassung / Conclusion

In 5 Ländern konnten explizite oder implizite finanzielle Anreize identifiziert werden. Der potenziell positive Effekt der finanziellen Anreize auf die Leistungsverlagerung kann durch nicht-finanzielle Aspekte verstärkt oder abgeschwächt werden. Die internationalen Erfahrungen können Deutschland wichtige Impulse für die Weiterentwicklung und Implementierung eines bereits vorliegenden Vergütungskonzepts sektorengleicher Leistungen geben.


AutorInnen
Helene Eckhardt, Fachgebiet Management im Gesundheitswesen, Technische Universität Berlin
Anika Kreutzberg, Fachgebiet Management im Gesundheitswesen, Technische Universität Berlin
Reinhard Busse, Fachgebiet Management im Gesundheitswesen, Technische Universität Berlin